Johann Christian Günther: Deine Schönheit, kluges Herze Titel entspricht 1. Vers(1709)

1Deine Schönheit, kluges Herze,
2Ist kein schlecht und flüchtig Gut,
3Das uns mit verbothnem Scherze
4Zu den Sünden Vorschub thut,
5Wenn sich unsrer Lüste Kraft
6An geschminckter Haut vergaft.

7Da ich dich recht kennen lerne,
8Klag ich meine Thorheit an,
9Die bey manchem Unglückssterne
10Mir die Augen aufgethan
11Und die Blüthen junger Zeit
12Mancher Delila geweiht.

13Deine rein- und wahre Liebe
14Macht den Anfang meiner Reu.
15Packt euch fort, ihr bösen Triebe
16Der verbuhlten Tyranney!
17Marianens Tugendglanz
18Windet mir den Unschuldskranz.

19Dies Gemüthe soll auf Erden
20Meines Ehstands Himmel seyn
21Und mir unter viel Beschwerden
22Zuflucht, Rath und Trost verleihn,
23Bis ihr treuer Abschiedskuß
24Auch den Tod erleichtern muß.

25Ach, was blüht mir vor ein Glücke,
26Da mich so ein ehrlich Kind
27Unter Feinden, Gram und Tücke
28Sonder Eigennuz gewinnt;
29Da sie mir den Schwur gethan,
30Fang ich erst zu leben an.

31Nehmt, ihr Stunden, nehmt doch Flügel,
32Nähert mir das holde Licht,
33Das mir auf der Lippen Siegel
34Völligen Besiz verspricht;
35Melde dich, gewüntschter Tag,
36Da die Keuschheit scherzen mag.

37Warthe nur, du schöner Engel,
38Mit gelaßner Zuversicht!
39Hab ich als ein Mensch gleich Mängel
40Hab ich doch die Falschheit nicht;
41Gottes Aug und meine Hand
42Bürgen vor den Unbestand.

43Sollt ich auch in schlechten Hütten
44Mich um Salz und Brodt bemühn,
45Wird der Umgang deiner Sitten
46Dennoch mich zur Wollust ziehn;
47Die Gesellschaft deiner Brust
48Macht die gröste Noth zur Lust.

49Meine Freundin, meine Taube,
50Meine Schwester, ja mein Ich,
51Liebe, leide, schweig und glaube,
52Das Verhängnüß beßert sich,
53Und sein Rathschluß crönt forthin
54Kurze Qual mit viel Gewinn.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Johann Christian Günther (1695-1723)

* 04/08/1695 in Striegau, † 03/15/1723 in Jena

männlich, geb. Günther

deutscher Lyriker

(Aus: Wikidata.org)

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