1Zwillingskinder eines Stengels,
2Zweigeschwister einer Schale,
3Liegen wir geschmiegt beisammen,
4Zwei in einem, eins in zweien,
5Als ein Sinnbild wahrer Liebe,
6Als Symbol von fester Treu.
7Der du unsre Schale brichst,
8Hüte dich, uns je zu trennen,
9Noch zu teilen unsre Hälften,
10Oder willst dus doch, so teil uns
11Nie mit einem, dem du abhold,
12Den du möchtest fliehn hinfürder;
13Denn, o wiß es nur, du Kühner!
14Wir, gezeugt in einem Schoße
15Und gewiegt in einer Wiege
16und getraut zu einem Bette,
17Ob man uns auch teilt und scheidet,
18Suchen stets uns zu vereinen;
19Aus den Augen, von den Lippen
20Dessen, der von uns gekostet,
21Ruft das eine zu dem andern:
22»hörst du Liebchen? Mein Viel-Liebchen!
23Komm! und tröste den Verlaßnen!
24Komm und hilf ihm, der verwaist!«
25Und das Liebchen hört die Stimme;
26Über Hügel, über Berge
27Treibt es den, der sie empfangen,
28Hin zur hartgeteilten Hälfte,
29Hin zu dem oft längst Vergeßnen,
30Der die Frucht mit ihm geteilt.
31Und da stehn die beiden Menschen,
32Sehen tief sich in die Augen,
33Fühlen stark sich angezogen,
34Wissen nicht, wie das geschehn,
35Können nimmer sich verlassen,
36Müssen fürder einig gehn.
37Drum ihr Fremden, Ungeweihten!
38Seht ihr je sich zwei umfassen,
39Die die Doppelfrucht geteilet,
40Denket, es sind nicht sie selber,
41Nicht die Menschen, die sich küssen,
42Die Viel-Liebchen küssen sich.