Franz Grillparzer: Abschied von Wien (1843)

1Leb wohl, du stolze Kaiserstadt,
2Zwar nicht auf lange, denk ich;
3Zu andern Grenzen, lebensmatt,
4Die irren Schritte lenk ich.

5Schön bist du, doch gefährlich auch,
6Dem Schüler wie dem Meister,
7Entnervend weht dein Sommerhauch,
8Du Kapua der Geister.

9Auf deinen Fluren geht sichs weich,
10Und Berg und Wälder breiten
11Rings um dich her ein Zauberreich,
12Durch das die Ströme gleiten.

13Weithin Musik, wie wenn im Baum
14Der Vögel Chor erwachte,
15Man spricht nicht, denkt wohl etwa kaum
16Und fühlt das Halb-Gedachte.

17Dazu dein Volk, ein wackres Herz,
18Verstand, und vom gesunden,
19Das sich mit Märchen und mit Scherz
20Der Wahrheit Bild umwunden.

21Man lebt in halber Poesie,
22Gefährlich für die ganze,
23Und ist ein Dichter, ob man nie
24An Vers gedacht und Stanze.

25Doch weil, von so viel Schönheit voll,
26Wir nur zu atmen brauchen,
27Vergißt man, was zum Herzen quoll,
28Auch wieder auszuhauchen:

29Die Tafel bleibt, die Leinwand leer.
30Drum fort aus diesen Gründen!
31Ob von der Reiselast Beschwer
32Sich festre Bilder ründen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

Bitte prüfe den Text zunächst selbst auf Auffälligkeiten und nutze erst dann die Funktionen!

Wähle rechts unter „Einstellungen“ aus, welcher Aspekt untersucht werden soll. Unter dem Text findest du eine Erklärung zu dem ausgewählten Aspekt.

Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Franz Grillparzer (1791-1872)

* 01/15/1791 in Wien, † 01/21/1872 in Wien

männlich, geb. Grillparzer

österreichischer Dramatiker

(Aus: Wikidata.org)

Bitte beachte unsere Hinweise zur möglichen Fehleranfälligkeit!

Gedichtanalysen zu diesem Gedicht