1Und über Johann von Dänemark kam seine finstre Stunde –
2Er murmelt: »Es brennt im Herzen mir die alte Ditmarsenwunde!
3Beim Himmel, es soll nicht Messer, nicht Scher' mir Bart noch Haupthaar stutzen
4Bis daß ich wieder ins Joch gebeugt dies bauernstolze Trutzen.«
5Und Boten sendet er in die Marsch, die künden allerwegen:
6»drei Schlösser will unser König und Herr in eure Lande legen,
7Nach Meldorf eins, an den Elbstrom eins und das dritt' an die Lundner Fähre« –
8Es brachte da Zornes viel ins Land die königliche Märe.
9Und von den Bauern Wolf Isebrand, der sprach: »Er mag nur kommen!
10Wir haben aus keines Königs Hand dies Land zu Lehn genommen,
11Wir sind zudem vom Aufrechtgehn versteift in unsern Hälsen,
12Und wer seine Schlösser auf Marschgrund baut, der baut sie nicht auf Felsen.
13Dies Land ist unser, wir haben's im Kampf der Sturmflut abgerungen,
14Wir bangen vor keines Königs Zorn, wir, die wir das Meer bezwungen,
15Unser altes Recht, unser alter Mut – so werden wir nicht zu Schanden;
16Noch lebt der Gott, der bei Bornhövd auf unsrer Seite gestanden.«
17Da gingen die Boten. Bei Rendsburg war's, wo sie den König trafen,
18Es stieß dazu viel kriegerisch Volk von Jütland und von Fühnen,
19All' wollten sie brechen den Bauernstolz und die Schmach des Königs sühnen.
20Von Deutschland auch viel edele Herrn hernieder ins Lager kamen:
21Zwei junge Grafen von Oldenburg, Adolf und Otto mit Namen,
22Mit ihnen zugleich manch Holsten-Geschlecht um den Danebrog sich scharte:
23Fünf Rantzaus, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
24Und Söldner auch; – Gesindel war's aus Rheinland, Franken und Sachsen,
25All' hatten sich längst, durch Mord und Brand, in die Schlinge hineingewachsen.
26Die ›sächsische Garde« hieß man sie, wohl auch die »
27Verheerend, wie der schwarze Tod, zogen sie durch die Lande.
28Ihr Führer aber war der Junker Slenz, der maß sechs rheinische Schuhe,
29Heut brach er am Wege die Schlösser ab und morgen an der Truhe,
30In Flechten hing sein flachsenes Haar wie Stricke herab, zum Würgen,
31Er hatte zwei Feuerräder im Kopf und hieß – der lange Jürgen.
32Und Jürgen Slenz, an der Seite Johanns, vorauf die gepanzerten Glieder,
33So führt er heut, unter schmetterndem Klang, das Heer in die Marsch hernieder,
34Zwölftausend sind's, schon dringen sie vor auf der Marschen getrocknetem Schlamme –
35Um Rache schreit in die Nacht hinein brennender Dörfer Flamme.
36Die Bauern aber, kaum tausend Mann, zogen sich rasch zurücke,
37Sie fanden da Wall und Graben noch aus der Zeit der alten Sassen,
38Und es sprach Wolf Isebrand: »Hier sei's, hier wollen wir auf sie passen!«
39Man hielt. Nur einer murmelte bang: »Das mög' unser Heiland nicht wollen,
40Wir sind hier am Tausend-Teufels-Wall, wo die Moorelfen tanzen und tollen,
41Mit den Flammenbüscheln das Irrlichtvolk, es haust hier unterm Rasen,
42Und bei Vollmond kommt das Feuerpferd, um die Büschel abzugrasen. «
43Da stutzten die andern; Wolf aber rief: »Was Irrlicht und was Elfen,
44Wenn droben der Himmel mit uns ist, muß auch die Hölle helfen.
45Die Nacht ist schwarz, wir brauchen Licht, laßt's nur da unten flimmern,
46Wir wollen ein christlich Bollwerk hier trotzdem zusammenzimmern.«
47Da griffen sie freudig nach Spaten und Axt, vorbei war Murren und Stutzen,
48Sie schleppten das Brückengebälk herbei, als Pfahlwerk es zu nutzen,
49Sie füllten und stopften, mit Moor und Schlamm, des alten Erdwalls Lücken
50Und warfen zuletzt ihm Rasen und Sand, drei Fuß hoch, auf den Rücken. –
51So kam der Tag, und mit ihm kam, goldblinkend, die sächsische Garde,
52Hell spiegelte sich der Morgenstrahl auf Harnisch und Hellebarde,
53Nicht kümmerte sie der Hagelgruß von Steinen und Wurfgeschossen.
54Jetzt war sie heran, zwischen ihr und dem Wall war nur noch des Grabens Quere,
55Da schnürten die Vordersten schnell in eins je zwölf ihrer kantigen Speere,
56Sie warfen wie Balken querüber dann die Bündel aus Speer und Lanze,
57Und über die fliegende Brücke hinweg wollten sie gegen die Schanze.
58Umsonst; man stieß sie rücklings hinab – es fehlte das Brückengelände –,
59Da nahmen die Folgenden, springstockgleich, ihren Speerschaft in die Hände,
60Sie setzten ihn auf, und war es mißglückt, im Sturmschritt vorzudringen,
61So sollte nun Sprung- und Hebelkraft im Flug sie hinüber-schwingen.
62Umsonst auch das; sie sprangen zu kurz; wer dennoch das Ufer erklettert,
63Der ward, unter wildem Freudengeschrei, von den Bauern zu Boden geschmettert,
64Dumpf dröhnte die Axt – bis plötzlich jetzt die Freudenrufe verklangen,
65Wolf Isebrand murmelte vor sich hin: »Hilf Himmel, wir sind umgangen! «
66So war's. Zu schwanken begann der Kampf, immer mächtiger wurden die Dränger,
67Da trat Gott selbst für die Schwachen ein und rief: »Ich will es nicht länger! «
68Und er schickte die Flut, die stieg am Strand bis hoch an die Schleusenpforte
69Die Wächter am Strande zögerten noch, da sieh, unter Schäumen und Kochen,
70– Die Hilfe Gottes kam mit Gewalt! – wurde die Schleuse zerbrochen,
71Schon über die Felder von Hemmingstedt hinbrausten Wogen und Wetter, –
72Das Meer, der Marsen alter Feind, heut kommt es als ihr Retter.
73Sie nahmen jetzt wieder festen Stand hinterm Tausend – Teufels – Walle,
74Da waren sie sicher vor der Flut und behielten den Feind in der Falle,
75Der wandte sich rechts und wandte sich links, doch der Tod war immer zur Stelle,
76Wer floh, den faßte die Marsenfaust, wer stand, den faßte die Welle.
77Nur Jürgen Slenz, der ritt an den Wall, als wäre noch nichts verloren,
78Ein stieß er tief, zum Sprunge bergan, seinem friesischen Hengste die Sporen;
79Jetzt war er hinauf – er schaute sich um, wie wohl in besseren Tagen,
80Und rief: »Wer ein Herz im Leibe hat, der mag es mit mir wagen! «
81Das hörte der Reimer von Wimerstedt, der hatte Lust zum Streite,
82Er sprang heran und schlug mit der Axt den Speer des Junkers zur Seite,
83Er holte dann aus, einen vollen Hieb auf die stählerne Brust zu führen,
84Und – fest im Panzer stak die Axt, tät sich nicht rücken, nicht rühren.
85Da riß der Reimer und wuchtete traun am Axtstiel ihn hernieder,
86Er trat ihm dann, fünf Finger breit, das Eisen zwischen die Rippen,
87Es kam kein Laut, kein Seufzer mehr über des Junkers Lippen.
88Das war das Ende von Jürgen Slenz; mit ihm zu Tode kamen
89– Die Knechte und Söldner ungezählt – viel hundert tapfere Namen,
90Zumal auch, was von Holstein her um den Danebrog sich scharte:
91Fünf Rantzaus, sieben von Ahlefeld und vierzehn Wackerbarte.
92Der König aber floh zu Schiff bis in seine Stadt am Sunde,
93Er trug zu der alten Narbe heim eine neue brennende Wunde,
94Die neue Wunde – bis in den Tod wollt' ihm die nie verharschen –,
95Das war der Tag von Hemmingstedt, der Brauttag der Dithmarschen.