1O Liebster, was bedeut das ungewohnte Röcheln,
2die Furcht der heißen Brust, der matten Lungen Fecheln,
3das so geschwinde keicht? Ach! wo, wo läßt du dich,
4dein' Augen, deinen Mund, und was noch mehr, wo mich?
5mich, deinen andern Dich? So bistu nun geflogen,
6du schöne Seele du, und läßt unnachgezogen
7den Leib, dein schönes Kleid, das mit so schöner Pracht
8der Tugend war gestückt und sauber ausgemacht!
9Du Mund, den Venus selbst in ihre Nectar tauchet,
10und dem die Gratien ihr Holdsein eingehauchet,
11ihr Augen, die ihr mich durch euer freundlich Sehn
12zur Gegenliebe zwingt, nun ists um euch geschehn
13und auch um euren mich! Vor hab' ich finden können
14noch meinen Landsman, dich, du Labsal meiner Sinnen!
15Ein Freund zwar, hoff' ich wol, mir anzutreffen ist:
16so einer nimmermehr, wie du gewesen bist.
17An dir hab' ich gehabt, ach! ach! gehabt den Zeugen
18von meiner Poesie, wie sehr sie umzubeugen
19der hagre Neid erkühnt, wie schlim er auf sie sieht!
20Durch dich verlacht' ich ihn: du hubst mir das Gemüt'
21ie mehr zum Ewigsein. Apollo war mir günstig,
22der Musicant' und Arzt, weil du mich machtest brünstig
23zu seiner doppeln Kunst. Die freie Meditrin
24verweiste mich durch dich zu ihrem Tempel hin
25und hieß mich ihren Freund. Wo werd' ich nun gelassen,
26weil du mich so verläßt? Wie auf den rauhen Gassen
27des bösen Oceans ein schwacher Nachen wankt,
28der keinen Bootsknecht hat, daß er den Port erlangt,
29schöpft Wasser, tauchet ein: also gehts meinem Kahne,
30der nun Kunst holen soll. Ich bin auf wilder Bahne,
31mein Ruder ist entzwei, mein Anker bleibt im Stich',
32im bodenlosen Grund'. O du mein selber Ich!
33Mein Alles und mein Nichts, ach Liebster! war dein Name,
34der's wol auch bleiben wird, so lang' ein Körnlein Same
35der Seelen in mir bleibt! Die Faust erstarret mir,
36die Tränen schwemmen aus die Dinte vom Papier'.
37Ich kan, ich kan nicht mehr! So nim doch hin, mein Leben,
38den Kuß, den letzten Kuß, den ohne Wiedergeben
39(ach wärs auch vor geschehn!) ich setz' auf deinen Mund,
40auf deinen kalten Mund! Diß ist der letzte Bund:
41so bleib' ich dir vermählt! So ewig Flemings Buhlen,
42die zarte Poesie, wird sein in Phöbus Schulen,
43so soll dein herzer Nam' an allen Wänden stehn,
44und mit der Ewigkeit mein Gloger untergehn!