Paul Fleming: 7. Liefländische Schneegräfin, auf Herrn Andres Rüttings und Jungfrau Annen von Holten Hochzeit. Reval, 1636 (1624)

1Es war ein schöner Tag im Himmel wie auf Erden,
2zur Zeit, wenn Delius mit seinen Feuerpferden
3steigt allgemach bergan, wenn uns bereift das Haar,
4und für den Hornung dient ein guter Februar,
5zur Zeit, wenn Liefland sich im Schlittenfahren übet
6und auch den Schiffern fast zu Lande nichts nachgiebet,
7in dem ein munter Pferd mehr eine Stunde zeucht,
8als manches schnelles Schiff vor vollen Segeln fleucht:
9da trug sichs eben zu, daß etliche der Ritter,
10die Solthein ausgesandt und hier das Ungewitter
11so lange Zeit hielt auf, sich machten auf das Land,
12um einmal froh zu sein, zu machen sich bekant.

13So bald die Venus diß von ihrem Sohn' erfahren,
14und sonst die Götter meist auch nicht zu Himmel waren,
15hieß sie den Schwanenzeug alsbalde tragen für,
16der stracks ward angeschirrt. Kom, sprach sie, Kind, mit mir,
17und wer mir folgen will! Alsbald ward ein Getümmel
18von ihrer kleinen Schar durch den saphirnen Himmel.
19Voraus ihr ältster Sohn nahm umb sich seinen Rock;
20das Pferd, darauf er saß, das war ein Haselstock.
21Sie nahmen ihren Weg durch Junons weite Klüfte
22und durch das leere Feld der ausgespanten Lüfte.
23Sie fuhren in die Welt und sprachen auf den Schein,
24als käm' es unversehns, bei diesen Rittern ein.

25Das ganze Hans ward froh. Alsbalde ward gesessen
26und umb den langen Tisch getrunken und gegessen.
27Bei Scherz und süßer Lust und was sonst mehr steht frei
28war eben itzo kaum der erste Gang vorbei,
29sieh, da kömmt Bachus her mit seinen zweien Pantern,
30die er ihm jagen läßt weit bei den Garamantern.
31Er rückte für das Haus, stieg alsobalden ab
32und nahm in seine Hand den langen Traubenstab.

33Wilkommen, liebster Freund, sprach Venus zu Osiren,
34geht ein, kommt alle her, helft unsre Freude zieren!
35Im Fall ihr habet nur zu essen mitgebracht,
36so dörft ihr zahlen nichts, als was das Trinken macht.
37Der Gäste waren viel, die mit Evasten kamen
38und ihren Abtritt hier bei diesen Rittern namen.
39Nachdem die Höflichkeit und Alles war getan
40und nun gesessen ward, hub Komus also an:
41Wie bin ich doch so froh, daß ich mich zu euch setzen
42und mich auf diesen Tag mit euch soll recht ergetzen!
43Wolan, da habt ihr mich, ihr rechten Deutschen ihr!
44Wer das nicht gläuben will, der setz' uns Wein und Bier
45und nasse Waare vor. Umb Kannen Lanzen brechen,
46turnieren umb ein Glas, und kalte Schalen stechen
47ist unser Ritterspiel. Wer hier am strengsten läuft,
48den andern übereilt, zu Gottes Boden säuft,
49Der ist der beste Man. Wir reiten in die Schwemme
50und baden Mund und Bauch. Wir führen große Dämme
51von Gläsern vor uns auf. Wir spielen für und für.
52Das Kraut ist hier der Wein, das Lot ein frisches Bier,
53das man das beste heißt. Wir feuren aus den Stücken,
54die uns ein Glaser geust. Wir bauen gleichsam Brücken,
55bewachen allen Paß, wir rücken an den Feind,
56der feindlich ist in dem, daß er sich nennet Freund.
57Umb Freundschaft führt man Krieg. Wir machen Nacht zu Tage,
58zu Nachte manchen Tag. Man hört von keiner Klage,
59als wenn man nicht mehr kan. Wir fallen wie wir stehn,
60wir wollen keinen Schritt aus unsern Gliedern gehn,
61das Kriegern schimpflich ist. Man sieht die Troupen schwingen
62und machen Karakol. Wir lachen, jauchzen, singen,
63das Feldspiel dient für uns. Dort zeigt sich ein Squadron,
64hier eine Compagnie, und ist gefasset schon,
65daß sie dem Feinde steh'. Es geht zu, wie im Kriegen.
66Der Anbruch wird gemacht. Wir kommen, sehen, siegen,
67das Glücke will uns wol. Bald sind wir Freund, bald Feind;
68wenn wir am ärgsten tun, so ist es gut gemeint.
69Wir fechten ritterlich, vergießen das Geblüte,
70wie wirs getrunken ein. Das durstige Gemüte
71erwündscht ihm stets den Feind, mit dem sichs raufen kan,
72daß beide fallen hin auf den besagten Plan.
73Die Gläser loben wir, die einen Schimpf verstehen,
74und wider Tisch und Wand mit unsern Köpfen gehen,
75und fester sind, als sie. Wir schenken ehrlich ein
76und trinken redlich aus. Wenn denn der blanke Wein
77durch das berühmbte Glas in liechtem Golde blinket,
78da wächst uns erst der Mut, daß man beherzter trinket.
79Wir stiften Brüderschaft. Der Trunk macht alle gleich.
80Die Feigen werden frisch, die Armen werden reich
81durch das geliebte Glas. Es läßt sich Keiner scherzen,
82wenns der Gesundheit gilt, er hebt von ganzem Herzen
83und leert die Schale wol. Er macht es redlich aus,
84und dräng' ihm Schweiß und Bier und alles Andre raus,
85es muß geleeret sein. Wir trinken auf viel' Weisen,
86die nicht gemeine sind bei schlechter Leute Schmäusen.
87Bei Trinken ist auch Kunst. Und daß mans ja wol kan
88besehen, stecken wir für eins zehn Liechter an.
89Das Recht erfordert das. Wer sagt nicht, daß wir schießen?
90Der rauchende Tabak wird dieses zeugen müssen,
91der uns umbnebelt ganz. Der aufgefahrne Dampf,
92von vielen Orten her, macht, daß man diesen Kampf
93von fernen nicht erkennt. Der Feind will überlegen,
94der Freund ingleichen sein. Wir greifen nach den Degen,
95die man sonst Röhren heißt. Ein gläsernes Pistol
96tanzt manchem umb den Mund, daß er hinsinken soll.
97Das ist ein schöner Tod, der bald nach sieben Stunden
98uns wieder leben läßt. Wir schlagen frische Wunden
99und heilen uns durch sie. Kein Pflaster ist so gut,
100als wenn man Hundeshaar' auf diese Schäden tut.
101Wir meinens brüderlich. Ein Ieder gönnt dem andern
102mehr als er selbsten hat. Die Gläser sind zum Wandern,
103zum Stehen nicht gemacht. Wir wetten auf den Man,
104der etwan, wie man meint, nicht mehr bestehen kan.
105Man singt, man pfeifts ihm ein. Das ist die rechte Katze.
106Man brauchet manchen Fund, wie man das Bier nein schwatze.
107Der bringet einen Schwank, der schneidet einen Fleck,
108den Polyphemus selbst nicht solte tragen weg,
109der saget neue Mähr': der Papst sei luthrisch worden;
110zu, weiß nicht wo, komm' auf ein nagelneuer Orden.
111Der giebet Rätsel auf, worein wol Alles geht:
112Was lieget, wenn wir stehn, und wenn wir liegen, steht?
113Warumb man Käse schabt? Was eine bunte Ziege
114wol habe vor ein Fell? Vor was die Elster fliege?
115Was doch wol dieses sei, das nicht hat Haut, nicht Haar,
116und wenn es kömmt zur Welt, so brummt es wie ein Bar?
117Warum der Fuchs nicht fleugt? Was zwischen Beinen wächset?
118und was der Schnacken mehr. Man lachet, daß man lächset
119vom tiefsten Bauche rauf. Wir springen auf den Tisch,
120wir tanzen um ein Glas, verkaufen unterm Wisch,
121im Fall es Greifens gilt. Das Zehrlein macht uns kühne.
122Ein Ieder ist bemüht, zu haben eine Fine,
123der er zu Diensten steht. Der sonst so keck kaum war,
124daß er sie nüchtern grüßt, umbfänget sie itzt gar
125und giebt ein Herzen drein. Uns freudenvollen Gästen
126ermangelt keine Lust. Wir tönen nach dem Besten
127ein Waldlied aus dem
128muß ganz von vornen an gesungen werden aus.
129Wir figuriren wol. Die schönen Künste steigen
130auch mit dem Trunke stets. Diorben, Flöten, Geigen
131sind unser täglichs Spiel. Und können wir mehr nicht,
132so muß das ABC auch kommen vor das Liecht.
133Du schöne Compagnie, Dank habe deiner Ehre,
134daß du mich auch nimbst ein! Wenn was zu Wünschen wäre,
135so wolt' ich, daß der Tag, da ich euch wohne bei,
136von tausent Jahren nur der allererste sei.

137Ei ja, das wäre frei! sprach Cyprie mit Lachen.
138Wolauf, wir wollen uns recht heute fröhlich machen,
139sprach Bacchus! Holla, ha! schenkt ein, schenkt hurtig ein
140das nectarsüße Bier, den Ambrosiner Wein!

141Ich weiß nicht, wie es kam, daß in die Badestuben
142von offner Tafel weg sich diese zwei erhuben,
143die heute sind getraut. Der Venus glüdner Sohn
144schlich ihnen heimblich nach. Das war ihr rechter Lohn.
145Da ward der Kauf gemacht, da ward der Rat geschlossen.
146Cupido kam gelacht. Sind, sprach er, das nicht Possen?
147Ei, Mutter, seht doch her! und zog das gute Paar,
148das den Gesichtern nach fast ganz erstorben war,
149für alle Gäste vor. Was kanst doch du nicht riechen,
150sprach Venus, lieber Sohn! Wer will sich nun verkriechen,
151weil auch ein solcher Ort nicht sicher ist vor dir,
152auf den man nie gedacht? Was saget aber ihr?
153Die Braut, bald rot, bald blaß, fieng endlich an zu reden:
154Wat schal ich arme Kind? Gott wet, wat sy my deden.
155Das ander Ycks - Kacks - Kol hub sie auf undeutsch an,
156das ich noch nicht versteh', und auch kein Gott nicht kan.
157Wolan, sprach Paphie, das geht nach meinem Sinne.
158Wie schickt sichs doch so wol! Itzt sei sie
159und übermorgen Braut! Da ward erst laut gelacht.
160Da ward die ganze Nacht mit Freuden hingebracht.
161Da gieng das Scherzen an. Die spielten der fünf Karten,
162die jagten Fuchs ins Loch in dem beschneiten Garten.
163Das Kalb ward ausgeteilt. Des Schuchs, der blinden Kuh,
164des Richters ward gespielt, des Königs auch darzu.
165Drauf ging das Tanzen an. Der Reien ward geschwungen
166auf sein gut Polnisch her. Da ward vollauf gesprungen
167nach der, nach jener Art. Das Trara war nicht schlecht.
168Der Staat- und Schäfertanz ward auch geführt, wie recht.
169Das Beste, das noch kam, das war die bunte Reie,
170die Venus machen hieß auf einer weichen Streue.
171Ein Ieder schmiegte sich an seinen Nachbar an,
172die Türe ward gesperrt, die Liechter ausgetan.
173Da ging es recht bunt zu. Diß lob' ich hier zu Lande,
174daß mancher seinen Wundsch so bringen kan zu Stande.
175Der harte Vater schilt, die Mutter ist zu scharf.
176Die er sonst in der Stadt nicht kühnlich sprechen darf,
177die legt er neben sich, und läßt die guten Alten
178zu Hause, wo sie sind, nach ihrem Willen walten.
179Er braucht der kurzen Zeit, die Alles bald vergißt.
180Das Schlechtste, das er tut, ist, daß er herzt und küßt.

181Die volle Morgenzeit begunte sich zu zeigen
182und Titans güldnes Rad allmälich vorzusteigen.
183Auf, auf! sprach Venus, auf! und bringt das Frühstück her!
184Es reist sich nüchtern nicht. Umb sieben ohngefähr
185muß ich wo anders sein. Der Abschied ward genommen,
186sie wolten ingesamt heut' auf die Hochzeit kommen.
187Mit diesem schieden sie, des süßen Lebens satt,
188die Götter in die Luft, die Ritter in die Stadt.

189Braut, dieses ist der Tag, den Venus angesetzet,
190daß ihr die Jungfrauschaft zuletzte noch ergetzet.
191Diß, Bräutgam, ist der Tag, der öffentlich euch giebt,
192was ihr so lange Zeit und heimblich habt geliebt.
193Auf heute kommen wir, wie wir euch denn versprochen.
194Schließt Küch' und Keller auf, laßt backen, braten, kochen,
195schont keiner Kosten nicht! Der Himmel hats versehn,
196daß dieses, weil ihr lebt, nur einmal soll geschehn.
197Versäumt nicht euch und uns! Der Sonnen güldner Wagen
198hat auf die Hälfte schon den Tag von uns getragen.
199Wir haben kurze Zeit. Tut die Versehung ja,
200daß uns sonst mangle nichts, als was da nicht ist da!

201Eins ist es, daß mir hier an Kösten misgefället,
202daß solche süße Zeit zu bald wird abgestellet.
203Was macht doch ein Tag froh? Eh' man recht fänget an,
204so ist es ganz und gar umb alle Lust getan.
205Mein Deutschland hat in dem weit eine bessre Sitte,
206nimbt auf den andern Tag auch noch den dritten mitte.
207Der erste macht bekant, der andre stärkt den Mut,
208daß man den dritten oft wie Braut und Bräutgamb tut.
209Da wird manch neues Paar. Ist einer noch nicht müde,
210wolan, der vierte dient auch noch zu seinem Friede,
211der für die Braut gehört und die ihr aufgedient.
212Wer denn noch nicht hat satt, der hat sich viel erkühnt.
213Was aber soll ich tun in einer frembden Sachen?
214Man wird hier Neues nichts umb meinetwillen machen.
215Ich muß nur lustig sein, es nehmen, wie es kömpt;
216zu frohsein ist der Tag, zu rechten nicht bestimpt.
217Wolan, ich mache mit. Ihr Jungfern und Gesellen
218und die ihr gerne sitzt vor, bei und in der Hellen,
219nehmt diesen Tag in Acht! Der Tag geht euch auch an.
220Seid lustig, wie ihr tut, bis keines nicht mehr kan.
221Der Tag zwar endet sich, nicht aber unsre Freude.
222Die Nacht ist auch für uns, ob gleich die neuen Beide
223uns lieber sehen gehn. Nein, Bräutgamb, nein, Braut, nein!
224Ihr müßt ein wenig noch bei euren Gästen sein!
225Was aber hilft es uns, daß wir euch sollen hindern
226und euch die süße Lust mit unserm Halten mindern?
227Geht, Liebste, wie ihr wolt, geht, fangt das Streiten an,
228ohn' welches zwischen euch kein Friede werden kan!
229Doch seid nur unverführt, o Braut, daß ich von Kriegen,
230von Streiten was gedacht! Es kömmet doch zum Siegen.
231Ich will euch Bürge sein auf Alles, was ihr wolt,
232daß ihr aus dieser Schlacht das Leben bringen solt.
233Es ist auf Nichts gemeint, als nur auf lauter Leben.
234Nichts als der Tod bleibt tot. Wolt ihr mir Glauben geben:
235der Feind, der euch so trutzt und fordert stolz herfür,
236der hat so dünne Haut, so weiches Fleisch, als ihr.
237Geht, Bräutgamb, leget euch in Gottes Namen nieder,
238und wenn ihr morgen denn steht auf, so sagt mirs wieder,
239ob nicht der Liebsten Mund noch zehnmal süßer schmeckt,
240als euer bestes Tun und edelstes Confect!
241Zwar wißt ihrs doch vorhin. Das Andre muß ich schweigen,
242das ihr gewißlich tun und keinem werdet zeigen.
243Geht, Bräutgamb, mit der Braut, geht, trefft die rechte Tür,
244und, daß euch niemand irrt, so steckt den Plocken für!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Paul Fleming (1609-1640)

* 10/05/1609 in Hartenstein, † 04/02/1640 in Hamburg

männlich, geb. Fleming

natürliche Todesursache - Lungenentzündung

deutscher Schriftsteller und Arzt

(Aus: Wikidata.org)

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