Martin Opitz: Vier mal ist der Frühling kommen Titel entspricht 1. Vers(1618)

1Vier mal ist der Frühling kommen;
2Vier mal hat die Winterszeit
3Von den Wäldern abgenommen
4Ihr begrüntes Sommerkleid,
5Seit daß wir gebracht sind worden
6In der treuen Freundschaft Orden.

7Wie viel Tage sind verflossen
8Inner Freud' und guter Lust,
9Wann wir uns den Sinn begossen
10Mit Lyäus seiner Kost;
11Doch nicht wie die rauhen Scythen,
12Die den ganzen Wanst voll schütten.

13Wie ein Schiffer an dem Rande
14Seinen krummen Nachen führt
15Und sich nicht weit helt vom Lande,
16Wann er starke Wellen spürt,
17So auch muß es sein im Trinken,
18Wollen wir nicht untersinken.

19Sehn wir in der Schale springen,
20Ungern, deinen klaren Wein,
21Können wir uns auch bezwingen,
22Daß wir lange nüchtern sein?
23Es muß alles, was uns kränket,
24In das Weinfaß sein versenket.

25Wann wir dann so viel genommen,
26Daß der angenehme Saft
27Etwas in die Stirn' ist kommen,
28Da kriegt Herz und Zunge Kraft,
29Da wird alles ausgelassen,
30Was uns taug und was wir hassen.

31Warum dieses sei zu meiden,
32Warum das nicht könne sein,
33Warum der und der uns neiden,
34Jener auch nur falschen Schein
35Des Gemüthes von sich gibet,
36Herzlich haßt und mündlich liebet.

37O ihr Matten, o ihr Wiesen,
38Du Gebirge, welches wir
39Nennen von den alten Riesen,
40O ihr warmen Bäder ihr,
41Ihr Napäen habt vernommen,
42Was uns oftmals ein ist kommen.

43So ergetzt uns hier auf Erden
44Ein schön Glas und ein schön Buch,
45Biß wir eingehüllet werden
46In ein Stücke leinen Tuch.
47Weil wir mehr nicht mit uns nehmen,
48Sollen wir uns dann viel grämen?

49Werden wir auch sonst nichts lassen,
50(dann sich um das Eigenthum
51Niemand schlagen wird und hassen)
52So bleibt doch ein guter Ruhm,
53Den der Tod uns nicht kan sterben
54Und kein Mensch mit Geld erwerben.

55Du durchrennst mit freiem Zügel
56Des geehrten Lobes Pfad
57Durch des hohen Adlers Flügel,
58Welcher dich zu Diensten hat
59Und auch mich wil höher heben,
60Mir Helm, Schild und Adel geben.

61Dieses sind die Gift und Gaben,
62Die uns über allen Neid,
63Wann wir lange sind vergraben,
64Heben sollen jederzeit;
65Diese Schätz' und Güter machen,
66Daß wir Hohn und Haß verlachen.

67Wann die Mißgunst tausend Zungen
68Hette feindlich ausgestreckt
69Und käm' auf uns zu gedrungen,
70Doch so bleiben wir verdeckt
71In der Treu und Tugend Schatten,
72Da kein Neid kan hingerathen.

73Nun wolan, mit dem Bedinge
74Laß uns bleiben, wie wir sein!
75Da ich dann darauf dir bringe
76Dieses große Schiff voll Wein,
77Daß dich wol nicht mehr sol dürsten,
78Auf Gesundheit unsers Fürsten.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Martin Opitz (1597-1639)

* 12/23/1597 in Bolesławiec, † 08/20/1639 in Danzig

männlich, geb. Opitz

natürliche Todesursache - Pest

deutscher Dichter des Barock

(Aus: Wikidata.org)

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