Johann Rist: Rede Gustav Adolfs vor Ingolstadt (1637)

1»der unverhoffte Tod, das ritterliche Sterben,
2Dadurch der theure Prinz von Baden thut erwerben
3Ein Lob, das nimmer stirbt, der Ewigkeit Gewinn,
4Das lehret mich, daß ich auch selber sterblich bin.
5Schau' ich die Kugel an, die Kugel, so noch glimmet,
6Die Kugel, so das Pferd gleich unter mir wegnimmet
7Und mich zu Boden legt, so denk ich schnell daran,
8Daß nichts auf Erden sei, das mich befreien kan.
9Es weiß der Würger ja so leicht mich zu bezwingen
10Und ja so ring' und bald ins finstre Grab zu bringen,
11Als den geringsten Knecht, der kriegrisch zwar geziert
12In meinem Dienst' ein Schwert, Musket und Lanzen führt.
13Das ist der alte Bund, das Wollen und Belieben
14Des Höchsten; denn er hat an alles Fleisch geschrieben,
15Daß nämlich keiner nicht, er sei auch was er wol',
16Herr, Kaiser oder Knecht, dem Tod entfliehen sol.
17Ob ich von Königen und Fürsten gleich erzeuget
18So mächtig bin, daß mir ganz Schwedenreich sich neiget,
19Ob ich gleich manchen Sieg erhalten durch mein Schwert,
20So muß ich dennoch fort, wann mein der Herr begehrt.
21Wolan, geliebt es denn des Allerhöchsten Willen,
22Der Widersacher Neid durch meinen Tod zu stillen,
23So steh' ich ihm bereit, ihm hab' ichs heimgestellt,
24Er schaffe nur mit mir das was ihm wol gefällt.
25Muß ich gleich diese Welt gesegnen und verlassen,
26Laß immer sein, ich wil mir doch die Hoffnung fassen,
27Daß Gott an meine Statt wird ordnen einen Mann,
28Der besser noch als ich die Waffen führen kan.
29Seht dieses hie mein Schwert, das ich zu eurem Nützen
30Gebrauchet, Land und Leut vor fremder Macht zu schützen,
31Zu heilen eure Not, zu wagen Leib und Blut,
32Zu finden Fried' und Ruh', das allerhöchste Gut,
33Das hie auf Erden ist. Vielleicht wird Gott erwählen
34Ein anders treues Herz und ihm nach mir befehlen
35Die schwere Kriegeslast, ein Herze, das mit Treu
36Und mehrer Tapferkeit als ich versehen sei.
37Es ist dem Herren leicht, solch einen Held zu senden,
38Sein Werk, das gleichwol groß und wichtig ist, zu enden;
39Ihm mangelts nie an Rat, er kan in kurzer Zeit
40Zerbrechen Joch und Last der schweren Dienstbarkeit.
41Ich weiß es gar zu wol, doch thut michs nicht bewegen,
42Daß mir die großen Sieg' auch großen Neid erregen;
43Es schelten mich sehr viel, ja, sagen ohne Scheu,
44Daß ich nur, Land und Leut zu plündern, kommen sei.
45Dieß leid ich ohne Schuld. Euch ruf' ich an zu Zeugen,
46Ihr teutsche Fürsten ihr, die ihr euch mustet beugen
47Und arme Schlaven sein, hat euch nicht ohnverletzt
48Der Höchste durch mein Schwert schnell wiedrum eingesetzt
49In den verlornen Stand, Gut, Namen, Städt' und Länder?
50Was schmähen mich denn noch die groben Ehrenschänder,
51Sie hättens ja vielleicht wol nimmermehr gedacht,
52Daß ich in kurzem so viel Schulden hie gemacht.
53Noch wolt ich keine Beut aus euren Ländern holen,
54Nur bloß der Armen Schar, der alles war gestolen,
55Der wolt ich Hülfe thun; dieß bleibt annoch mein Ziel,
56Wobei ich, hilft mir Gott, auch treulich helfen wil.
57Was sag ich? Hab' ich nit mein großes Land verlassen,
58Nicht daß ich etwa thät' aus Stolz und Hochmut hassen
59Mein anererbtes Reich, es ist für euch geschehn,
60Ihr Teutsche, euch in Not und Unglück beizustehn.
61Die mancherlei Gefahr, die ich in diesen Landen
62Von Anbeginn bis nun hab' oftmals überstanden,
63Ja, diese Stunde noch, da ich zu Bodem fiel,
64Laßt meine Zeugen sein, ob ich hie rauben wil.
65Ihr Helden, gläubt mir das, ich führe diese Waffen,
66Euch feste Sicherheit vor fremder Macht zu schaffen,
67Damit ich Fried' erring' und freien Stand zugleich
68Und zähme durch mein Schwert das Haus von Oesterreich.«

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Author

Johann Rist (1607-1667)

* 03/08/1607 in Hamburg, † 08/31/1667 in Wedel

männlich, geb. Rist

deutscher Dichter und lutherischer Prediger

(Aus: Wikidata.org)

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