Johann Rist: Abendgesang (1637)

1Werde munter, mein Gemüte,
2Und ihr Sinne geht herfür,
3Daß ihr preiset Gottes Güte,
4Welch' er hat gethan an mir,
5Als er mich den ganzen Tag
6Für so mancher schweren Plag
7Hat erhalten und beschützet,
8Daß mich Satan nicht beschmitzet.
9Lob und Dank sei dir gesungen,
10Vater der Barmherzigkeit,
11Daß mir ist mein Werk gelungen,
12Daß du mich für allem Leid
13Und für Sünden mancher Art
14So getreulich hast bewahrt,
15Auch die Feind hinweg getrieben,
16Daß ich unbeschädigt blieben.
17Keine Klugheit kan verstehen
18Deine Güt' und Wunderthat;
19Ja, kein Menschenkind kan sehen,
20Was dein' Hand erwiesen hat;
21Deine Wolthat ist zu viel,
22Sie hat weder Maß noch Ziel.
23Herr, du hast mich so geführet,
24Daß kein Unfall mich berühret.
25Dieser Tag ist nun vergangen,
26Die betrübte Nacht bricht an;
27Es ist hin der Sonnen Prangen,
28Welch' uns all' erfreuen kan.
29Stehe mir, o Vater, bei,
30Daß dein Glanz stets vor mir sei
31Und mein kaltes Herz erhitze,
32Wenn ich gleich im Finstern sitze.
33Herr, verzeihe mir aus Gnaden
34Alle Sünd' und Missethat,
35Die mein armes Herz beladen
36Und so gar vergiftet hat,
37Daß auch Satan bös und stil
38Mich zur Höllen stürzen wil.
39Aber, Herr, du kanst mich retten,
40Strafe nicht mein Übertreten.
41Bin ich gleich von dir gewichen,
42Stell' ich mich doch wieder ein,
43Hat uns doch dein Sohn verglichen
44Durch sein' Angst und Todespein.
45Ich verleugne nicht die Schuld,
46Aber deine Gnad und Huld
47Ist viel größer als die Sünde,
48Welch' ich stets in mir befinde.
49O du Licht der frommen Seelen,
50O du Glanz der Ewigkeit,
51Dir wil ich mich ganz befehlen
52Diese Nacht und allezeit.
53Bleibe doch, mein Gott, bei mir,
54Weil es nunmehr dunkel schier
55Und ich mich sehr drob betrübe;
56Tröste mich mit deiner Liebe.
57Schütze mich fürs Teufels Netzen,
58Für der Macht der Finsternis,
59Die mir manche Nacht zusetzen
60Und erzeigen viel Verdrüß;
61Laß mich dich, o wahres Licht,
62Nimmermehr verlieren nicht.
63Wenn ich dich nur hab' im Herzen,
64Fühl' ich nicht der Seelen Schmerzen.
65Wann mein' Augen schon sich schließen
66Und ermüdet schlafen ein,
67Muß mein Herz dennoch geflissen
68Und auf dich gerichtet sein.
69Meiner Seele mit Begier
70Träume stets, o Gott, von dir,
71Daß ich fest an dir bekleibe
72Und auch schlafend dein verbleibe.
73Laß mich diese Nacht empfinden
74Eine sanft und süße Ruh,
75Alles Uebel laß verschwinden,
76Decke mich mit Segen zu;
77Leib und Seele, Mut und Blut,
78Weib und Kinder, Hab' und Gut,
79Freunde, Feind' und Hausgenossen
80Sind in deinen Schutz geschlossen.
81Ach, bewahre mich für Schrecken,
82Schütze mich für Ueberfall,
83Laß mich Krankheit nicht aufwecken,
84Treibe weg des Krieges Schall,
85Wende Feur und Wassersnot,
86Pestilenz und schnellen Tod;
87Laß mich nicht in Sünden sterben
88Noch an Leib und Seel verderben.
89O du großer Gott, erhöre,
90Was dein Kind gebeten hat.
91Jesu, den ich stets verehre,
92Bleibe ja mein Schutz und Rat
93Und mein Hort; du werter Geist,
94Der du Freund und Tröster heißt,
95Höre doch mein sehnlichs Flehen!
96Amen, ja, das sol geschehen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Johann Rist (1607-1667)

* 03/08/1607 in Hamburg, † 08/31/1667 in Wedel

männlich, geb. Rist

deutscher Dichter und lutherischer Prediger

(Aus: Wikidata.org)

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