Johann Rist: Christus der rechte Lehrer (1637)

1Bereite dich, o liebste Seel',
2Ein helles Licht zu schauen,
3Worauf in dieser Lebenshöl
4Ein Christ darf kühnlich bauen;
5Denn wer dieß Licht nimt wol in Acht,
6Dem wird auch in der finster Nacht
7Für keinem Unfall grauen.
8Dieß helle Licht heißt Jesus Christ,
9Von Himmel her gegeben,
10Der uns zum Lehrer worden ist,
11Daß unser Thun und Leben
12Nach ihm allein gerichtet sei,
13Auch wir ohn' Arg und Heuchelei
14An ihm beständig kleben.
15Wer Christo nicht folgt offenbar,
16Der muß im Dunkeln bleiben,
17Er bringt sich selber in Gefahr,
18Die kaum zu hintertreiben.
19Ein solcher wird ja leider nicht
20Dem allerschönsten Seelenlicht
21Sich gläubig inverleiben.
22Da stellt uns Gott, der Vater, nun,
23Sein liebstes Kind für Augen,
24Das lehrt uns solche Werke thun,
25Die für der Welt auch taugen.
26So laßt uns geben ihm die Ehr',
27Auch bloß aus seiner Brust die Lehr'
28Und heiligs Leben saugen.
29Für diesem Spiegel wil ich stehn,
30Auf daß ich noch auf Erden,
31In dem ich seinen Glanz kan sehn,
32Ganz müg' erneuert werden.
33Dieß Bild weiß nichts von Adams Art,
34Die sich im Fleisch sonst offenbart
35Mit Worten und Geberden.
36Es ist doch unser Fleisch und Blut
37Mit Sünden hart beschweret,
38Als Geiz, Neid, Unzucht, Uebermut
39Und was dieß Gift ernähret:
40Des Satans böslich Eigenschaft,
41Dieß alles ist von solcher Kraft,
42Daß es, was gut, verzehret,
43Dieß schrecklichs Uebel könt' allein
44Gott selber von uns nehmen;
45Drum must' er wahrer Mensch auch sein,
46Dieß Ungeheur zu zähmen,
47Und das um unsertwillen nur,
48Daß sich sein' arme Creatur
49Nicht ewig dörfte schämen.
50So sind wir ja vereinigt nun
51Mit Gott, nach seinem Willen,
52Was Christus uns gelehrt, zu thun,
53Der alles muß erfüllen,
54Was uns so gar unmüglich war,
55Sein Blut könt' einzig die Gefahr
56Und Glut der Höllen stillen.
57Da wirkt nun Christus alles das
58In uns, was gut zu nennen,
59Da lernen wir ohn' Unterlaß
60Auch Christus Sinn erkennen;
61Ja, Christi Wort ist unser Wort,
62Es kan noch Freund noch Feind hinfort
63Von seiner Lieb' uns trennen.
64O süßes Leben, welches ist
65Allein in Jesu Leben!
66Da bleibt alsdenn ein wahrer Christ
67Auch bloß an Jesu kleben;
68Denn Jesus Sanftmut und Gedult
69Wird ihm durch Jesus Lieb' und Huld
70Auch reichlich mitgegeben.
71Ach, war nicht Christi Leben vol
72Leid, Armut, Hohn und Schmerzen,
73Das gleichwol den nicht schrecken sol
74Der Christum liebt von Herzen;
75Der alte Mensch wil prächtig sein,
76Der neue spricht: ach nein, ach nein,
77Hie gilt noch Lust noch Scherzen.
78Dir folg' ich, Herr, mit Freudigkeit,
79Zu gehn auf deinen Wegen;
80Daran ist mir in dieser Zeit
81Zum höchsten ja gelegen.
82Ich leb' in dir, du lebst in mir,
83Wolan, drauf bleib' ich für und für,
84O Gott, im Fried' und Segen.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

Bitte prüfe den Text zunächst selbst auf Auffälligkeiten und nutze erst dann die Funktionen!

Wähle rechts unter „Einstellungen“ aus, welcher Aspekt untersucht werden soll. Unter dem Text findest du eine Erklärung zu dem ausgewählten Aspekt.

Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Johann Rist (1607-1667)

* 03/08/1607 in Hamburg, † 08/31/1667 in Wedel

männlich, geb. Rist

deutscher Dichter und lutherischer Prediger

(Aus: Wikidata.org)

Bitte beachte unsere Hinweise zur möglichen Fehleranfälligkeit!

Gedichtanalysen zu diesem Gedicht