1Als man zelt vierzehundert jar
2und vierundneunzig jar fürwar
3nach des herren Christi geburt
4ich Hans Sachs gleich geboren wurt
5Novembris an dem fünften tag,
6daran man mich zu taufen pflag,
7eben geleich grad in dem herben,
8grausam und erschrecklichen sterben,
9der regiert in Nürnberg der stat.
10den brechen auch mein mutter hat
11und darzu auch der vatter mein,
12got aber verschont mein allein.
13sibenjerig darnach anfieng,
14in die lateinisch schule gieng;
15drin lert ich puerilia,
16grammatica und musica
17nach ringem brauch derselben zeit;
18solchs als ist mir vergeßen seit.
19neunjerig aber dreißig tag
20ich an dem heißen fieber lag.
21nach dem ich von der schule kam
22fünfzenjerig und mich annam,
23tet der schumacher hantwerk lern,
24mit meinr hantarbeit mich zu nern;
25daran da leret ich zwei jar.
26als mein lerzeit vollendet war,
27tet ich meinem hantwerk nach wandern
28von einer statte zu der andern,
29erstlich gen Regnsburg und Braunau,
30gen Salzburg, Hall und gen Passau,
31gen Wels, Münichen und Lantshut,
32gen Oeting und Burghausen gut,
33gen Würzburg und Frankfurt, darnach
34gen Coblenz, Cölen und gen Ach;
35arbeit also das hantwerk mein
36in Beiern, Franken und am Rein.
37fünf ganze jar ich wandern tet
38in dise und vil andre stet.
39spil, trunkenheit und bulerei
40und andre kurzweil mancherlei
41ich mich in meiner wanderschaft
42entschlug und war allein behaft
43mit herzenlicher lieb und gunst
44zu meistergsang, der löblichn kunst,
45für all kurzweil tet mich aufwecken.
46ich het von Lienhart Nunnenbecken
47erstlich der kunst einen anfang;
48wo ich im lant hört meistergsang,
49da leret ich in schneller eil
50der bar und tön ein großen teil,
51und als ich meines alters war
52fast eben im zweinzigsten jar,
53tet ich mich erstlich understan
54mit gotes hülf zu dichten an
55das bar in dem langen Marner:
56gloria patri lob und er,
57zu Münichen, als man zelt zwar
58fünfzehundert vierzehen jar,
59half auch daselbst die schul verwalten,
60tet darnach auch selber schul halten
61in den steten, wo ich hin kam,
62hielt die erst zu Frankfurt mit nam,
63und nach zwei jarn zog ich mit glück
64gen Nürnberg, macht mein meisterstück.
65nach dem wart mir vermehelt drin
66mein gmahel Küngunt Kreuzerin
67geleich an sanct Egidientag;
68am neunten tag der hochzeit pflag,
69als man gleich fünfzehundert jar
70und neunzehen jar zelen war,
71welche mir gebar siben kint,
72die all mit tot verschiden sint.
73und als man fünfzehundert jar
74und auch sechzig jar zelen war,
75am sechzehentn Martii im frid
76mein erster gemahel verschid.
77als man zelt einundsechzig jar,
78am zwelften Augusti fürwar
79wurt mir wider verheirat da
80mein andre gmahel Barbara
81Harscherin, und am erichtag
82nach sanct Egidien, ich sag,
83war mein hochzeit fein schlecht und stil;
84mit der leb ich, so lang got wil.
85als man aber zelet fürwar
86geleich fünfzehenhundert jar
87und sibenundsechzig, ich sag,
88Januarii am ersten tag,
89meine gedicht, spruch und gesang,
90die ich het dicht vor jaren lang,
91so inventiert ich meine bücher,
92wurt gar ein fleißiger durchsücher
93der meistergsangbücher zumal,
94der warn sechzehen an der zal;
95aber der sprüchbücher der was
96sibenzehen, die ich durchlas;
97das achtzehent war angefangen,
98doch noch nit vollent, mit verlangen.
99da ich meine gedichte fant
100alle gschriben mit eigner hant,
101die vierunddreißg bücher mit nam,
102darinnen summiert ich zusam
103erstlich die meistergsang fürwar,
104der von mir sint gedichtet bar
105in disen dreiundfünfzig jarn,
106darin vil schriftlicher bar war
107aus alt und neuem testament,
108aus den büchern Mose vollent,
109aus den figurn, prophetn und gsetz,
110richter, künigbüchern, zuletz
111den ganzen psalter in der sum,
112die bücher Machabeorum
113und die sprüch Salomon hernach
114und aus dem buch Jesus Sirach,
115epistln und evangelion,
116auch aus apocalypsis schon,
117aus den ich allen vil gedicht
118in meistergsang hab zugericht
119mit kurzer gloss und ir auslegung
120aus guter christlicher bewegung,
121einfeltig nach meinem verstant,
122mit gotes hülf nun weit erkant
123in teutschem lant bei jung und alten,
124darmit vil singschul werdn gehalten
125zu gotes rum, lob, preis und glori;
126auch vil warhaft weltlich histori,
127darin das lob der gutn erhaben
128und der argen lob tief vergraben,
129aus den gschichtschreibern zugericht;
130auch mancherlei artlich gedicht
131aus den weisen philosophi,
132darin ist angezeiget, wie
133hoch die tugent zu loben sei
134bei menschlichm gschlecht, und auch darbei,
135wie schentlich sint die groben laster,
136alles unglückes ein ziehpflaster;
137dergleich vil poetischer fabel,
138welche sam in einer parabel
139mit verborgen, verblümten worten
140künstlich vermelden an den orten,
141wie gar hochlöblich sei die tugent
142beide bei alter und der jugent,
143dergleich, wie laster sint so schentlich;
144darnach sint auch begriffen entlich
145schulkünst, straffer, logica, renk,
146auch mancherlei kurzweilig schwenk,
147zu frölichkeit den traurign kommen,
148doch alle unzucht ausgenommen.
149in einer summa diser bar
150der meistergesang aller war
151eben gleich zweiundvierzig hundert
152und fünfundsibnzig ausgesundert,
153waren gsetzt in zweihundert schönen
154und fünfundsibnzig meistertönen;
155darunder sind dreizehen mein.
156solichs war als geschriben ein
157in der sechzehn gsangbücher sum.
158die achtzehen sprüchbücher num
159ich auch her in die hende mein;
160drin durchsucht die gedicht allein,
161da funt ich frölicher comedi
162und dergleich trauriger tragedi,
163auch kurzweiliger spil gesundert,
164gerade acht und auch zweihundert,
165der man den meisten teil auch hat
166gespilt in Nürenberg der stat,
167auch andern steten ferr und weit,
168nach den man schicket meiner zeit.
169nachdem fant ich darinnen frei
170geistlich und weltlich mancherlei
171gesprech und sprüch von lob der tugent
172und guten sitten für die jugent,
173auch höflicher sprüch mancherlei
174aus der verblümtn poeterei,
175und auch von manchen weisen heiden,
176von der natur artlich, bescheiden,
177auch mancherlei fabel und schwenk,
178lecherlich poßen, selzam renk,
179doch nit zu grob noch unverschemt,
180darob man freud und kurzweil nemt,
181und doch das gut darbei verste
182und alles argen müßig ge.
183diser gedicht ich allersant
184tausent und sibenhundert fant;
185doch ungeferlich ist die zal
186aus den gedichten überal.
187vor drei bücher ausgangen sint
188im druck, darinnen man ir fint
189acht und achtzg stück und sibenhundert,
190darob sich mannich man verwundert.
191auch ists viert und fünft buch zu drucken
192bstelt, die bei etlich hundert stucken
193halten, auch spruchsweis mein gedicht
194werdn in der zeit kommen ans licht.
195auch fant ich in mein büchern gschriben
196artlicher dialogos siben,
197doch ungereimet, in der pros,
198ganz deutlich, frei, on alle glos.
199nach dem fant ich auch in der meng
200psalmen und ander kirchengseng,
201auch verendert geistliche lider,
202auch gaßenhauer hin und wider,
203auch lieder von kriegesgeschrei,
204auch etlich bullieder darbei,
205der allersamen ich vernum
206dreiundsibenzig in der sum,
207in tönen schlecht und gar gemein;
208der tön sechzehn mein eigen sein.
209als ich mein werk het inventiert,
210mit großem fleiß zusam summiert
211aus den sprüchbüchern umb und um,
212da kam in summa summarum
213aus gsang und sprüchen mit gelück
214sechstausent achtundvierzig stück
215aus meinen büchern überal,
216e mer den minder in der zal,
217on der, so waren kurz und klein,
218der ich nicht het geschriben ein.
219aber hie anzeigte gedicht
220die sint alle dahin gericht,
221sovil mir ausweist mein memori,
222zu gottes preis, lob, rum und glori,
223und das sein wort wert ausgebreit
224bei christlicher gmein ferr und weit
225gesangweis und gereimten worten,
226und im Teutschlant an allen orten
227bei alter und auch bei der jugent
228das lob aller sitten und tugent
229wert hochgepreiset und berümt;
230dargegen veracht und verdümt
231die schentlichen und groben laster,
232die als übels sint ein ziehpflaster,
233wie mir das auch nach meinem leben
234mein gedicht werden zeugnus geben;
235wan die ganz sum meiner gedicht
236hab ich zu eim bschluß zugericht
237in meinem alter, als ich war
238gleich alt zwei und sibenzig jar,
239zwei monat und etliche tag.
240darbei man wol abnemen mag,
241das der spruch von gedichten mein
242gar wol mag mein valete sein,
243weil mich das alter hart vexiert,
244mich druckt, beschwert und carceriert,
245das ich zu ru mich billich setz
246und meine gedicht laß zuletz
247dem gutherzign gemeinen mon,
248mit gots hülf sich beßer darvon.
249got sei lob, der mir sant herab
250so miltiglich die schonen gab
251als einem ungelerten man,
252der wedr latein noch kriechisch kan.
253das mein gedicht grün, blü und wachs
254und vil frücht bring, das wünscht Hans Sachs.