Eduard Mörike: Abreise (1846)

1Fertig schon zur Abfahrt steht der Wagen,
2Und das Posthorn bläst zum letzten Male.
3Sagt, wo bleibt der vierte Mann so lange?
4Ruft ihn, soll er nicht dahinten bleiben!
5– Indes fällt ein rascher Sommerregen;
6Eh man hundert zählt, ist er vorüber;
7Fast zu kurz, den heißen Staub zu löschen;
8Doch auch diese Letzung ist willkommen.
9Kühlung füllt und Wohlgeruch den weiten
10Platz und an den Häusern ringsum öffnet
11Sich ein Blumenfenster um das andre.
12Endlich kommt der junge Mann. Geschwinde!
13Eingestiegen! – Und fort rollt der Wagen.
14Aber sehet, auf dem nassen Pflaster
15Vor dem Posthaus, wo er stillgehalten,
16Läßt er einen trocknen Fleck zurücke,
17Lang und breit, sogar die Räder sieht man
18Angezeigt und wo die Pferde standen.
19Aber dort in jenem hübschen Hause,
20Drin der Jüngling sich so lang verweilte,
21Steht ein Mädchen hinterm Fensterladen,
22Blicket auf die weiß gelaßne Stelle,
23Hält ihr Tüchlein vors Gesicht und weinet.
24Mag es ihr so ernst sein? Ohne Zweifel;
25Doch der Jammer wird nicht lange währen:
26Mädchenaugen, wißt ihr, trocknen hurtig,
27Und eh auf dem Markt die Steine wieder
28Alle hell geworden von der Sonne,
29Könnet ihr den Wildfang lachen hören.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Eduard Mörike (1804-1875)

* 09/08/1804 in Ludwigsburg, † 06/04/1875 in Stuttgart

männlich, geb. Mörike

deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler und Übersetzer

(Aus: Wikidata.org)

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