Gottfried Keller: Abendlied an die Natur (1845)

1Hüll mich in deine grünen Decken
2Und lulle mich mit Liedern ein!
3Bei guter Zeit magst du mich wecken
4Mit eines jungen Tages Schein!
5Ich hab mich müd in dir ergangen,
6Mein Aug ist matt von deiner Pracht;
7Nun ist mein einziges Verlangen,
8Im Traum zu ruhn durch deine Nacht.

9Der Kindesaugen freudig Leuchten
10Schon fingest du mit Blumen auf,
11Und wollte junger Gram sie feuchten,
12Du legtest weiche Lindrung drauf.
13Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
14Mich seither auch gefangen nahm,
15Bin ich doch immer Kind geblieben,
16Wenn ich zu dir ins Freie kam!

17Geliebte, die mit ew'ger Treue
18Und ew'ger Jugend mich erquickt,
19Du einz'ge Lust, die ohne Reue
20Und ohne Nachweh mich entzückt!
21Sollt ich dir jemals untreu werden,
22Dich kalt vergessen, ohne Dank:
23Dann ist mein Fall wohl nah auf Erden,
24Mein Herz verdorben oder krank!

25O steh mir immerdar im Rücken,
26Bin ich im Feld mit meiner Zeit!
27Mit deinen hellen Mutterblicken
28Ruh auf mir, auch im wärmsten Streit!
29Und sollte mich mein Stündlein finden,
30Schnell decke mich mit Rasen zu!
31O selig Sterben und Verschwinden
32In deines Urgrunds tiefste Ruh!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Gottfried Keller (1819-1890)

* 07/19/1819 in Zürich, † 07/15/1890 in Zürich

männlich, geb. Keller

Schweizer Schriftsteller, Dichter und Maler

(Aus: Wikidata.org)

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