1Ich hab in kalten Wintertagen,
2In dunkler, hoffnungsarmer Zeit
3Ganz aus dem Sinne dich geschlagen,
4O Trugbild der Unsterblichkeit.
5Nun, da der Sommer glüht und glänzet,
6Nun seh ich, daß ich wohlgetan!
7Aufs neu hab ich das Haupt bekränzet,
8Im Grabe aber ruht der Wahn.
9Ich fahre auf dem klaren Strome,
10Er rinnt mir kühlend durch die Hand,
11Ich schau hinauf zum blauen Dome
12Und such – kein beßres Vaterland.
13Nun erst versteh ich, die da blühet,
14O Lilie, deinen stillen Gruß:
15Ich weiß, wie sehr das Herz auch glühet,
16Daß ich wie du vergehen muß!
17Seid mir gegrüßt, ihr holden Rosen,
18In eures Daseins flücht'gem Glück!
19Ich wende mich vom Schrankenlosen
20Zu eurer Anmut froh zurück!
21Zu glühn, zu blühn und ganz zu leben,
22Das lehret euer Duft und Schein,
23Und willig dann sich hinzugeben
24Dem ewigen Nimmerwiedersein!