1Die ersten Veilchen waren schon
2Erwacht im stillen Tal;
3Ein Bettelpack stellt' seinen Thron
4Ins Feld zum ersten Mal.
5Der Alte auf dem Rücken lag,
6Das Weib, das wusch am See;
7Bestaubt und unrein schmolz im Hag
8Das letzte Häuflein Schnee.
9Der Vollmond warf den Silberschein
10Dem Bettler in die Hand,
11Bestreut' der Frau mit Edelstein
12Die Lumpen, die sie wand;
13Ein linder West blies in die Glut
14Von einem Dorngeflecht,
15Drauf kocht' in Bettelmannes Hut
16Ein sündengrauer Hecht.
17Da kam der kleine Betteljung,
18Vor Hunger schwach und matt,
19Doch glühend in Begeisterung
20Vom Streifen durch die Stadt,
21Hielt eine Hyazinthe dar
22In dunkelblauer Luft;
23Dicht drängte sich der Kelchlein Schar,
24Und selig war der Duft.
25Der Vater rief: »Wohl hast du mir
26Viel Pfennige gebracht?«
27Der Knabe rief: »O sehet hier
28Der Blume Zauberpracht!
29Ich schlich zum goldnen Gittertor,
30Sooft ich ging, zurück,
31Bedacht nur, aus dem Wunderflor
32Zu stehlen mir dies Glück!
33O sehet nur, ich werde toll,
34Die Glöcklein alle an!
35Ihr Duft, so fremd und wundervoll,
36Hat mir es angetan!
37O schlaget nicht mich armen Wicht,
38Laßt euren Stecken ruhn!
39Ich will ja nichts, mich hungert nicht,
40Ich will's nicht wieder tun!« –
41»o wehe mir geschlagnem Tropf!«
42Brach nun der Alte aus,
43»mein Kind kommt mit verrücktem Kopf
44Anstatt mit Brot nach Haus!
45Du Taugenichts, du Tagedieb
46Und deiner Eltern Schmach!«
47Und rüstig langt' er Hieb auf Hieb
48Dem armen Jungen nach.
49Im Zorn fraß er den Hecht, noch eh
50Der gar gesotten war,
51Schmiß weit die Gräte in den See
52Und stülpt' den Filz aufs Haar.
53Die Mutter schmält' mit sanftem Wort
54Den mißgeratnen Sohn,
55Der warf die Blume zitternd fort
56Und hinkte still davon.
57Es perlte seiner Tränen Fluß,
58Er legte sich ins Gras
59Und zog aus seinem wunden Fuß
60Ein Stücklein scharfes Glas.
61Der Gott der Taugenichtse rief
62Der guten Nachtigall,
63Daß sie dem Kind ein Liedchen pfiff
64Zum Schlaf mit süßem Schall.