Ferdinand Freiligrath: Schwarz-Rot-Gold (1843)

1In Kümmernis und Dunkelheit,
2Da mußten wir sie bergen!
3Nun haben wir sie doch befreit,
4Befreit aus ihren Särgen!
5Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
6Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!
7Pulver ist schwarz,
8Blut ist rot,
9Golden flackert die Flamme!

10Das ist das alte Reichspanier,
11Das sind die alten Farben!
12Darunter haun und holen wir
13Uns bald wohl junge Narben!
14Denn erst der Anfang ist gemacht,
15Noch steht bevor die letzte Schlacht!
16Pulver ist schwarz,
17Blut ist rot,
18Golden flackert die Flamme!

19Ja, die das Banner ihr gestickt,
20Ihr Jungfern unverdrossen,
21Derweil am Feuer wir gebückt
22Uns Flintenkugeln gossen:
23Nicht, wo man singt nur oder tanzt,
24Geschwungen sei's und aufgepflanzt! –
25Pulver ist schwarz,
26Blut ist rot,
27Golden flackert die Flamme!

28Denn das ist noch die Freiheit nicht,
29Die Deutschland muß begnaden,
30Wenn eine Stadt in Waffen spricht
31Und hinter Barrikaden:
32»kurfürst, verleih! Sonst – hüte dich! –
33Sonst werden wir – – großherzoglich!«
34Pulver ist schwarz,
35Blut ist rot,
36Golden flackert die Flamme!

37Das ist noch lang die Freiheit nciht,
38Die ungeteilte, ganze,
39Wenn man ein Zeughaustor erbricht,
40Und Schwert sich nimmt und Lanze;
41Sodann ein weniges sie schwingt,
42Und – folgsamlich zurück sie bringt!
43Pulver ist schwarz,
44Blut ist rot,
45Golden flackert die Flamme!

46Das ist noch lang die Freiheit nicht,
47Wenn ihr an Brockhaus' Glase
48Ausübt ein klirrend Strafgericht
49Ob einer Dresdner Nase!
50Was liegt euch an dem Sosius?
51Drauf: – in die Hofburg Stein und Schuß!
52Pulver ist schwarz,
53Blut ist rot,
54Golden flackert die Flamme!

55Das ist noch lang die Freiheit nicht,
56Wenn man, statt Patronen,
57Mit keiner andern Waffe ficht,
58Als mit Petitionen!
59Du lieber Gott: – Petitioniert!
60Parlamentiert, illuminiert!
61Pulver ist schwarz,
62Blut ist rot,
63Golden flackert die Flamme!

64Das ist noch lang die Freiheit nicht,
65Sein Recht als Gnade nehmen
66Von Buben, die zu Recht und Pflicht
67Aus Furcht nur sich bequemen!
68Auch nicht: daß, die ihr gründlich haßt,
69Ihr dennoch auf den Thronen laßt!
70Pulver ist schwarz,
71Blut ist rot,
72Golden flackert die Flamme!

73Die Freiheit ist die Nation,
74Ist aller gleich Gebieten!
75Die Freiheit ist die Auktion
76Von dreißig Fürstenhüten!
77Die Freiheit ist die Republik!
78Und abermals: die Republik!
79Pulver ist schwarz,
80Blut ist rot,
81Golden flackert die Flamme!

82Die
83Die mußt du noch erfliegen!
84Mußt jeden Strick und Galgenstrick
85Dreifarbig noch besiegen!
86Das ist der große letzte Strauß –
87Flieg aus, du deutsch Panier, flieg aus!
88Pulver ist schwarz,
89Blut ist rot,
90Golden flackert die Flamme!

91Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt!
92Der Kampf nur gibt dir Weihe!
93Und kehrst du rauchig und zerfetzt,
94So stickt man dich aufs neue!
95Nicht wahr, ihr deutschen Jungfräulein?
96Hurra, das wird ein Sticken sein!
97Pulver ist schwarz,
98Blut ist rot,
99Golden flackert die Flamme!

100Und der das Lied für euch erfand
101In einer dieser Nächte,
102Der wollte, daß ein Musikant
103Es bald in Noten brächte!
104Heißt das: ein rechter Musikant!
105Dann kläng' es hell durchs deutsche Land:
106Pulver ist schwarz,
107Blut ist rot,
108Golden flackert die Flamme!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Ferdinand Freiligrath (1810-1876)

* 06/17/1810 in Detmold, † 03/18/1876 in Bad Cannstatt

männlich

natürliche Todesursache - Herzinfarkt

deutscher Lyriker, Dichter und Übersetzer

(Aus: Wikidata.org)

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