1Mit leisen Harfentönen
2Sei, Wehmut, mir gegrüßt!
3O Nymphe, die der Thränen
4Geweihten Quell verschließt!
5Mich weht an deiner Schwelle
6Ein linder Schauer an,
7Und deines Zwielichts Helle
8Glimmt auf des Schicksals Bahn.
9Du, so die Freude weinen,
10Die Schwermut lächeln heißt,
11Kannst Wonn' und Schmerz vereinen,
12Daß Harm in Lust verfleußt;
13Du hellst bewölkte Lüfte
14Mit Abendsonnenschein,
15Hängst Lampen in die Grüfte
16Und krönst den Leichenstein.
17Du nahst, wenn schon die Klage
18Den Busen sanfter dehnt,
19Der Gram an Sarkophage
20Die müden Schläfe lehnt;
21Wenn die Geduld gelassen
22Sich an die Hoffnung schmiegt,
23Der Zähren Tau im nassen,
24Schmerzlosen Blick versiegt.
25Du, die auf Blumenleichen
26Des Tiefsinns Wimper senkt,
27Bei blätterlosen Sträuchen
28Der Blütenzeit gedenkt,
29In Florens bunte Kronen
30Ein dunkles Veilchen webt,
31Und still, mit Alcyonen,
32Um Schiffbruchstrümmer schwebt:
33O du, die sich so gerne
34Zurück zur Kindheit träumt,
35Selbst ihr Gewölk von ferne
36Mit Sonnengold besäumt;
37Was uns Erinn'rung schildert,
38Mit stillem Glanz verbrämt,
39Der Trennung Qualen mildert
40Und die Verzweiflung zähmt;
41Der Leidenschaften Horden,
42Der Sorgen Rabenzug
43Entfliehn vor den Akkorden,
44Die deine Harfe schlug;
45Du zauberst Alpensöhnen,
46Verbannt auf Flanderns Moor,
47Mit Sennenreigentönen
48Der Heimat Bilder vor.
49In deinen Schattenhallen
50Weihst du die Sänger ein,
51Lehrst junge Nachtigallen
52Die Trauermelodei'n;
53Du neigst, wo Gräber grünen,
54Dein Ohr zu Höltys Ton;
55Pflückst Moos von Burgruinen
56Mit meinem Matthisson.
57Rühr unter Thränenweiden
58Noch oft mein Saitenspiel;
59Verschmilz auch Gram und Leiden
60In süßes Nachgefühl;
61Gieb Stärkung dem Erweichten!
62Heb aus dem Trauerflor,
63Wenn Gottes Sterne leuchten,
64Den Andachtsblick empor!