Kurt Tucholsky: Das Mitglied (1912)

1In mein' Verein bin ich hineingetreten,
2weil mich ein alter Freund darum gebeten,
3ich war allein.
4Jetzt bin ich Mitglied, Kamerad, Kollege –
5das kleine Band, das ich ins Knopfloch lege,
6ist der Verein.

7Wir haben einen Vorstandspräsidenten
8und einen Kassenwart und Referenten
9und obendrein
10den mächtigen Krach der oppositionellen
11Minorität, doch die wird glatt zerschellen
12in mein' Verein.

13Ich bin Verwaltungsbeirat seit drei Wochen.
14Ich will ja nicht auf meine Würde pochen –
15ich bild mir gar nichts ein . . .
16Und doch ist das Gefühl so schön, zu wissen:
17sie können mich ja gar nicht missen
18in mein' Verein.

19Da draußen bin ich nur ein armes Luder.
20Hier bin ich ich – und Mann und Bundesbruder
21in vollen Reihn.
22Hoch über uns, da schweben die Statuten.
23Die Abendstunden schwinden wie Minuten
24in mein' Verein.

25In mein' Verein werd ich erst richtig munter.
26Auf die, wo nicht drin sind, seh ich hinunter –
27was kann mit denen sein?
28Stolz weht die Fahne, die wir mutig tragen.
29Auf mich könn' Sie ja ruhig »Ochse« sagen,
30da werd ich mich bestimmt nicht erst verteidigen.
31Doch wenn Sie mich als Mitglied so beleidigen . . . !
32Dann steigt mein deutscher Gruppenstolz!
33Hoch Stolze-Schrey! Freiheit! Gut Holz!
34Hier lebe ich.
35Und will auch einst begraben sein
36in mein' Verein.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Kurt Tucholsky (1890-1935)

* 01/09/1890 in Berlin, † 12/21/1935 in Göteborg

männlich, geb. Tucholsky

Suizid - Überdosis

deutscher Journalist und Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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