Kurt Tucholsky: Der schlimmste Feind (1912)

1Der schlimmste Feind, den der Arbeiter hat,
2das sind nicht die Soldaten;
3es ist auch nicht der Rat der Stadt,
4nicht Bergherrn, nicht Prälaten.
5Sein schlimmster Feind steht schlau und klein
6in seinen eignen Reihn.

7Wer etwas diskutieren kann,
8wer einmal Marx gelesen,
9der hält sich schon für einen Mann
10und für ein höheres Wesen.
11Der ragt um einen Daumen klein
12aus seinen eignen Reihn.

13Der weiß nichts mehr von Klassenkampf
14und nichts von Revolutionen;
15der hat vor Streiken allen Dampf
16und Furcht vor blauen Bohnen.
17Der will nur in den Reichstag hinein
18aus seinen eignen Reihn.

19Klopft dem noch ein Regierungsrat
20auf die Schulter: »Na, mein Lieber . . . «,
21dann vergißt er das ganze Proletariat –
22das ist das schlimmste Kaliber.
23Kein Gutsbesitzer ist so gemein
24wie der aus den eignen Reihn.

25Paßt Obacht!
26Da steht euer Feind,
27der euch hundertmal verraten!
28Den Bonzen loben gern vereint
29Nationale und Demokraten.
30Freiheit? Erlösung? Gute Nacht.
31Ihr seid um die Frucht eures Leidens gebracht.
32Das macht: Ihr konntet euch nicht befrein
33von dem Feind aus den eignen Reihn.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Kurt Tucholsky (1890-1935)

* 01/09/1890 in Berlin, † 12/21/1935 in Göteborg

männlich, geb. Tucholsky

Suizid - Überdosis

deutscher Journalist und Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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