1Von Ungeduld gespornt, durchstrichen wir die Felder,
2Und hinter uns entflohn in Schatten Höhn, und Wälder,
3Ach! meinem Wunsch zu langsam! mit Sehnsucht maß mein Blick
4Die Fernen vor sich über, und schaute oft zurück.
5Ihr Götter! hätte mich
6Der Vogel
7Ja wär ich selbst den Flügeln des Blitzes gleich geflohn:
8So kam mein Herz doch früher, und meldete mich schon!
9Jetzt zeigte sich die Stadt: im Kranze blauer Hügel
10Stand manche Zinn empor; der Anblick gab dem Flügel
11Die ersten Kräfte wieder: da liegt der schönste Ort
12Der Erden! rief ich feurig: und riß mich schneller fort.
13So zieht ein mächtger Strom, der zum Gestade schießet,
14Des Meeres Fläche theilt, und sich ins Land ergießet,
15Von fern her einen Nachen, der, wenn er ihn ergreift,
16Geflügelter zum Hafen auf seinen Wogen läuft.
17Die Wälder wuchsen nun, so wie wir näher gingen;
18Die Schatten schwärzten sich, die von den Hügeln hingen;
19Schon hob sich aus dem Chaos der Göttinn heiligs Haus,
20Und breitete dem Auge die stolzen Flügel aus.
21Die Gegend, die entfernt, nicht gänzlich ausgewischet,
22Ihr Mannigfaltiges in Blau zusammenmischet,
23Fiel nun in mehr Gestalten und Farben ins Gesicht;
24Hier kam ein tiefrer Schatten, und dort ein hellers Licht.
25Nun war der Schauplatz hell. Wie sah ich mit Vergnügen
26Ihr Götter! wie verändert! es war nicht mehr das Thal,
27Das ich verlassen hatte, das öde, finstre Thal!
28Hier stieg der Buchwald auf, dort schlung um grüne Hügel
29Die Wonne, die Entzückung, die ich vordem nicht sah,
30Der Himmel, der verschwunden, war jetzo wieder da!
31Die Rosen glüheten an schattigen Gestaden,
32Und schienen selbst die Hand der Schönen einzuladen.
33Jetzt überstreute Flora, aus einer mildern Hand,
34Mit mehr, als tausend Farben, das aufgeblühte Land:
35Hier gab sie, trotz der Kunst, die stolzen Königinnen
36Mit Gold und Perlen schmückt, den Putz für Schäferinnen,
37Für deren Stirn die Myrthen, und junge Veilchen blühn,
38Der May sein Blümchen schaffet, und volle Rosen glühn.
39Der Westwind gaukelte, und wälzete die Düfte,
40Der blühenden Natur, wie Wolken durch die Lüfte
41Nichts fehlte, als
42Hätt ich die frohe Gegend
43Ein seliges Gefild, ein Reich der Tugendhaften,
44Das zur Glückseligkeit die Götter selbst erschafften.
45Der heilge Wald
46Ehrwürdge, greise Eichen ihr Glück verkündigen,
47Rauscht denen nicht so sanft, die dort ihr Schicksal suchen,
48Entzückungen herab, als mir der Wald von Buchen!
49Hier irrte durch die Blumen, und Büsche, Paar bey Paar;
50Die Freude auf den Wangen; gleich der beglückten Schaar,
51Die ruhig, voll Gefühl, wie edel sie gehandelt,
52Nun in
53Hier sah ich einen Schäfer, der seine Braut umfing,
54Bedeckt von einer Buche, die tiefer niederhing;
55Jetzt flocht er einen Kranz von Rosen, und von Myrthen
56Um ihre schöne Stirn, die Locken aufzugürten;
57Jetzt riß, bey einem Kusse, den sie ihm wilder gab,
58Die Locke aus dem Gürtel, und fiel mit Stolz herab.
59Hier floh ein loses Kind zum Schatten einer Buchen,
60Und schaute lächelnd um, und stand, und ließ sich suchen.
61Wie ängstlich sucht ihr Schäfer! wie gern sieht sie die Pein!
62Nun rauscht sie in den Büschen, und will gefunden seyn:
63Nun fliegt er auf sie zu, und rächet sein Verlangen,
64Und schlingt die Arm um sie, und küßt die frischen Wangen.
65Voll Feuer, und Empfindung, sah ich ihr süßes Spiel,
66Und keine Misgunst mischte Verdruß in mein Gefühl;
67Ach! sagt ich, siehe, Freund! so schön, so ganz empfunden,
68Verfließen Zärtlichen der Jugend heitre Stunden!
69Beglückte, frohe Schäfer! für euch schafft die Natur
70Die Rosen auf den Wangen, die Rosen auf der Flur!
71Die Götter, denen wir den Himmel oft beneiden,
72Verlassen den Olymp, und suchen eure Freuden:
73Doch bald, ja bald, ihr Schäfer! umarmt
74Und dann, o! dann wird keiner so glücklich seyn, als ich!
75Wie will ich sie noch oft, an meine Brust gerissen,
76Hier drücken, wo ihr scherzt, und satt, recht satt mich küssen!
77Satt sagt ich? – welche Menge ersättigt die Begier?
78Nein, tausend, tausend Küsse,
79Und fodre immer mehr, bis hier, auf allen Sträuchen,
80Die Blätter nicht an Zahl der Zahl der Küsse gleichen!
81Nun sehen wir den Tempel, und eine Welt umher:
82So wallt um eine Insel, zur Zeit der Fluth, das Meer.
83Ein Strom drang erst dahin, ein andrer floß zurücke,
84Und Hoffnung, oder Ruh bezeichnete die Blicke.
85In diesem kam
86Riß plötzlich mich zurücke, und rief: Freund, siehe da!
87Siehst du den Fremdling dort zwo junge Schönen führen?
88Siehst du
89An der geheimen Sorge auf ihrem Angesicht,
90An diesem blöden Auge, das stilles Leiden spricht,
91Erkenne deine Braut! Und siehest du auch jene,
92Die ihr zur Seiten scherzt? die ist
93Schau ihre Stirn, wie heiter! ihr Auge, wie vergnügt!
94Sieh, wie sie leicht dahergeht, und wie die Locke fliegt!
95Ich kenne meine Braut! rief ich; ach! mein Entzücken
96Drückt keine Sprache aus; lies es aus meinen Blicken!
97Komm mit mir, eile, fliege, misgönne dem Geschick,
98Das unser Herz zerrissen, den kleinsten Augenblick!
99O! Liebe, halt sie dort, daß sich ihr Fuß verweile,
100Und mich beflügele, damit ich sie ereile!
101Ihr Götter! welche Freude, wenn sie mich nicht erblickt,
102Dann plötzlich vor sich siehet, und angenehm erschrickt,
103Ach! oder sieht sie mich, wenn sie mit heißen Wangen,
104Mit offnen Armen eilt, mich zärtlich zu umfangen!
105Wir flohn; so flog der
106Von Zärtlichkeit beflügelt, der Fuß
107Der Boden fühlet kaum, daß ihn die Sohle drücke,
108Sein Haar strömt wild empor, die Erde rollt zurücke.
109Nun näher, und nun immer; und nun, nun streckt er sich,
110Die Nymphe zu ergreifen – nicht so beglückt, als ich!
111Der Gott ereilte sie, sie ewig zu verlieren:
112Ich aber kam, umfing, und küssete
113In dem den Göttersprüchen geweihten, dunklen Hain,
114Erfuhr ich mein Geschicke, holt ich
115Ach! itzo durfte mir nichts sein Orakel sagen!
116Ihr Auge konnt ich hier, statt dich, o! Göttinn, fragen!
117Welch Roth stieg ins Gesicht, indem ich näher trete!
118So glüht die Rose nicht, so nicht die Morgenröthe:
119Ach! seufzte sie, und flohe zu mir, so schnell, wie ich;
120Ich schlung um sie die Arme, und sie die Händ um mich,
121Und Mund auf Mund gepflanzt, und Herz an Herz geschlossen,
122Stumm, eingewurzelt, starr, in einem Kuß zerflossen,
123In einen Leib geschlungen, den einerley Begier,
124Den nur ein Geist beseelte, wie Bilder, standen wir.
125Itzt faß ich ihre Hand, und trete matt zurücke,
126Und schweige immer noch, und hang an ihrem Blicke.
127Nun seufz ich: ach,
128Der meinen zu vergleichen? nein, keine Marter, nein!
129Es sey denn diese Qual, die nicht die Unschuld kennet,
130Die Flamme, die allein den Lasterhaften brennet.
131Nun aber, ach
132Wer ist so froh, so zärtlich, so glücklich, als
133Zwar
134Muß, um mir schön zu seyn, durch dich verschönert werden.
135Du hast nicht mehr empfunden, als ich um dich empfand,
136Als, auf
137Die doch noch menschlicher, als diese Freundinn, waren,
138(denn Geld, das Sklaven zwinget und meine Räuber zwung,
139Erpreßte das Bekenntniß, daß sie
140Als diese, die kein Flehn, kein Schrecken im Gewissen.
141So viel gewann, als Geld, mich deinem Arm entrissen!
142Doch komm mit mir zum Tempel; der erste Augenblick
143Vereinige auf ewig, auf ewig unser Glück!
144Ach komm! der Altar soll von unsern Opfern rauchen,
145Und heilger Weihrauch erst der Göttinn Düfte hauchen.
146Dann kehren wir zurücke, und dann ergießt mein Schmerz
147Sich frey in deinen Busen, und deiner in mein Herz.
148Dann schwatzen wir uns satt; dann sollen in Vergnügen
149Und Liebe, Tage uns, Minuten gleich, verfliegen!
150Ich fühlte, daß
151Ich fühlt in mir den Himmel: wir flohen zum Altar:
152Ein
153Ach! wo ist noch ein Glück, das wir zu wünschen hätten!
154Ein Lächeln: o wie fahren die Sorgen schnell zurück!
155Und wenn noch oft ein Zweifel hervorstürmt, nur ein Blick,
156Der wie ein Blick des
157Die wilden Furien zur Höll hinunter sendet.