1Woher der Freund so früh und schnelle,
2Da kaum der Tag im Osten graut?
3Hat er sich in der Waldkapelle,
4So kalt und frisch es ist, erbaut?
5Es starret ihm der Bach entgegen;
6Mag er mit Willen barfuß gehn?
7Was flucht er seinen Morgensegen
8Durch die beschneiten, wilden Höhn?
9Ach, wohl! Er kommt vom warmen Bette,
10Wo er sich andern Spaß versprach;
11Und wenn er nicht den Mantel hätte,
12Wie schrecklich wäre seine Schmach!
13Es hat ihn jener Schalk betrogen
14Und ihm den Bündel abgepackt;
15Der arme Freund ist ausgezogen
16Und fast, wie Adam, bloß und nackt.
17Warum auch schlich er diese Wege
18Nach einem solchen Äpfelpaar,
19Das freilich schön im Mühlgehege,
20So wie im Paradiese, war.
21Er wird den Scherz nicht leicht erneuen;
22Er drückte schnell sich aus dem Haus
23Und bricht auf einmal nun, im Freien,
24In bittre, laute Klagen aus.
25»ich las in ihren Feuerblicken
26Nicht eine Silbe von Verrat;
27Sie schien mit mir sich zu entzücken
28Und sann auf solche schwarze Tat!
29Konnt ich in ihren Armen träumen,
30Wie meuchlerisch der Busen schlug?
31Sie hieß den holden Amor säumen,
32Und günstig war er uns genug.
33Sich meiner Liebe zu erfreuen!
34Der Nacht, die nie ein Ende nahm!
35Und erst die Mutter anzuschreien,
36Nun eben als der Morgen kam!
37Da drang ein Dutzend Anverwandten
38Herein, ein wahrer Menschenstrom;
39Da kamen Vettern, guckten Tanten,
40Es kam ein Bruder und ein Ohm.
41Das war ein Toben, war ein Wüten!
42Ein jeder schien ein andres Tier.
43Sie forderten des Mädchens Blüten
44Mit schrecklichem Geschrei von mir. –
45Was dringt ihr alle wie von Sinnen
46Auf den unschuld'gen Jüngling ein?
47Denn solche Schätze zu gewinnen,
48Da muß man viel behender sein,
49Weiß Amor seinem schönen Spiele
50Doch immer zeitig nachzugehn.
51Er läßt fürwahr nicht in der Mühle
52Die Blumen sechzehn Jahre stehn. –
53Sie raubten nun das Kleiderbündel
54Und wollten auch den Mantel noch.
55Wie nur so viel verflucht Gesindel
56Im engen Hause sich verkroch!
57Nun sprang ich auf und tobt und fluchte,
58Gewiß, durch alle durchzugehn.
59Ich sah noch einmal die Verruchte,
60Und ach! sie war noch immer schön.
61Sie alle wichen meinem Grimme;
62Es flog noch manches wilde Wort;
63Da macht ich mich, mit Donnerstimme,
64Noch endlich aus der Höhle fort.
65Man soll euch Mädchen auf dem Lande
66Wie Mädchen aus den Städten fliehn.
67So lasset doch den Fraun von Stande
68Die Lust, die Diener auszuziehn!
69Doch seid ihr auch von den Geübten
70Und kennt ihr keine zarte Pflicht,
71So ändert immer die Geliebten,
72Doch sie verraten müßt ihr nicht.«
73So singt er in der Winterstunde,
74Wo nicht ein armes Hälmchen grünt.
75Ich lache seiner tiefen Wunde;
76Denn wirklich ist sie wohlverdient.
77So geh es jedem, der am Tage
78Sein edles Liebchen frech betriegt
79Und nachts, mit allzu kühner Wage,
80Zu Amors falscher Mühle kriecht.