1Er war – und wie bewegungslos
2Nach letztem Hauche-Seufzer
3Die Hülle lag, uneingedenk,
4Verwaist von solchem Geiste:
5So tief getroffen, starr erstaunt
6Die Erde steht der Botschaft.
7Stumm, sinnend nach der letztesten
8Stunde des Schreckensmannes,
9Sie wüßte nicht, ob solcherlei
10Fußstapfen Menschenfußes
11Nochmals den blutgefärbten Staub
12Zu stempeln sich erkühnten.
13Ihn wetterstrahlend auf dem Thron
14Erblickte die Muse schweigend,
15Sodann im Wechsel immerfort
16Ihn fallen, steigen, liegen;
17Zu tausend Stimmen Klang und Ruf
18Vermischte sie nicht die ihre.
19Jungfräulich, keiner Schmeichelei
20Noch frevler Schmähung schuldig,
21Erhebt sie sich plötzlich aufgeregt,
22Da solche Strahlen schwinden,
23Die Urne kränzend mit Gesang,
24Der wohl nicht sterben möchte.
25Zu Pyramiden von Alpen her,
26Vom Manzanar zum Rheine,
27Des sichern Blitzes Wetterschlag
28Aus leuchtenden Donnerwolken,
29Er traf von Scylla zum Tanais,
30Von einem zum andern Meere.
31Mit wahrem Ruhm? – Die künft'ge Welt
32Entscheide dies! Wir beugen uns,
33Die Stirne tief, dem Mächtigsten,
34Erschaffenden, der sich einmal
35Von allgewalt'ger Geisteskraft
36Grenzlose Spur beliebte.
37Das stürmische, doch bebende
38Erfreun an großen Planen,
39Die Angst des Herzens, das ungezähmt,
40Dienend nach dem Reiche gelüstet
41Und es erlangt zum höchsten Lohn,
42Den's törig war zu hoffen.
43Das ward ihm all: der Ehrenruhm,
44Vergrößert nach Gefahren,
45Sodann die Flucht, und wieder Sieg,
46Kaiserpalast, Verbannung;
47Zweimal zum Staub zurückgedrängt
48Und zweimal auf dem Altar.
49Er trat hervor: gespaltne Welt,
50Bewaffnet gegeneinander,
51Ergeben wandte sich zu ihm,
52Als lauschten sie dem Schicksal;
53Gebietend Schweigen, Schiedesmann,
54Setzt' er sich mitteninne;
55Verschwand! – Die Tage Müßiggangs,
56Verschlossen im engen Raume,
57Zeugen von grenzenlosem Neid
58Und tiefem, frommem Gefühle,
59Von unauslöschlichem Haß zugleich
60Und unbezwungener Liebe.
61Wie übers Haupt Schiffbrüchigem
62Die Welle sich wälzt und lastet,
63Die Welle, die den Armen erst
64Emporhob, vorwärtsrollte,
65Daß er entfernte Gegenden
66Umsonst zuletzt erblickte,
67So ward's dem Geist, der wogenhaft
68Hinaufstieg in der Erinnrung.
69Ach! wie so oft den Künftigen
70Wollt er sich selbst erzählen.
71Und kraftlos auf das ewige Blatt
72Sank die ermüdete Hand hin.
73Oh! wie so oft beim schweigsamen
74Sterben des Tags, des leeren,
75Gesenkt den blitzenden Augenstrahl,
76Die Arme übergefaltet,
77Stand er, von Tagen, vergangnen,
78Bestürmt' ihn die Erinnrung.
79Da schaut' er die beweglichen
80Zelten, durchwimmelte Täler,
81Das Wetterleuchten der Waffen zu Fuß,
82Die Welle reitender Männer,
83Die aufgeregteste Herrscherschaft
84Und das allerschnellste Gehorchen.
85Ach, bei so schrecklichem Schmerzgefühl
86Sank ihm der entatmete Busen,
87Und er verzweifelte! – Nein, die Kraft
88Der ewigen Hand von oben
89In Lüfte, leichter atembar,
90Liebherzig trug ihn hinüber.
91Und leitete ihn auf blühende
92Fußpfade, die hoffnungsreichen,
93Zu ewigen Feldern, zum höchsten Lohn,
94Der alle Begierden beschämet;
95Er sieht, wie auf Schweigen und Finsternis,
96Auf den Ruhm, den er durchdrungen.
97Schönste, unsterblich wohltätige
98Glaubenskraft, immer triumphend!
99Sprich es aus! erfreue dich,
100Daß stolzer-höheres Wesen
101Sich dem berüchtigten Golgatha
102Wohl niemals niedergebeugt hat.
103Und also von müder Asche denn
104Entferne jedes widrige Wort;
105Der Gott, der niederdrückt und hebt,
106Der Leiden fügt und Tröstung auch,
107Auf der verlaßnen Lagerstatt
108Ihm ja zur Seite sich fügte.