1Ich las schon lang. Seit dieser Nachmittag,
2mit Regen rauschend, an den Fenstern lag.
3Vom Winde draußen hörte ich nichts mehr:
4mein Buch war schwer.
5Ich sah ihm in die Blätter wie in Mienen,
6die dunkel werden von Nachdenklichkeit,
7und um mein Lesen staute sich die Zeit. –
8Auf einmal sind die Seiten überschienen,
9und statt der bangen Wortverworrenheit
10steht: Abend, Abend... überall auf ihnen.
11Ich schau noch nicht hinaus, und doch zerreißen
12die langen Zeilen, und die Worte rollen
13von ihren Fäden fort, wohin sie wollen...
14Da weiß ich es: über den übervollen
15glänzenden Gärten sind die Himmel weit;
16die Sonne hat noch einmal kommen sollen. –
17Und jetzt wird Sommernacht, soweit man sieht:
18zu wenig Gruppen stellt sich das Verstreute,
19dunkel, auf langen Wegen, gehn die Leute,
20und seltsam weit, als ob es mehr bedeute,
21hört man das Wenige, das noch geschieht.
22Und wenn ich jetzt vom Buch die Augen hebe,
23wird nichts befremdlich sein und alles groß.
24Dort draußen ist, was ich hier drinnen lebe,
25und hier und dort ist alles grenzenlos;
26nur daß ich mich noch mehr damit verwebe,
27wenn meine Blicke an die Dinge passen
28und an die ernste Einfachheit der Massen, –
29da wächst die Erde über sich hinaus.
30Den ganzen Himmel scheint sie zu umfassen:
31der erste Stern ist wie das letzte Haus.