1An diesem Morgen nach der Nacht, die bang
2vergangen war mit Rufen, Unruh, Aufruhr, –
3brach alles Meer noch einmal auf und schrie.
4Und als der Schrei sich langsam wieder schloß
5und von der Himmel blassem Tag und Anfang
6herabfiel in der stummen Fische Abgrund –:
7gebar das Meer.
8Von erster Sonne schimmerte der Haarschaum
9der weiten Wogenscham, an deren Rand
10das Mädchen aufstand, weiß, verwirrt und feucht.
11So wie ein junges grünes Blatt sich rührt,
12sich reckt und Eingerolltes langsam aufschlägt,
13entfaltete ihr Leib sich in die Kühle
14hinein und in den unberührten Frühwind.
15Wie Monde stiegen klar die Kniee auf
16und tauchten in der Schenkel Wolkenränder;
17der Waden schmaler Schatten wich zurück,
18die Füße spannten sich und wurden licht,
19und die Gelenke lebten wie die Kehlen
20von Trinkenden.
21Und in dem Kelch des Beckens lag der Leib
22wie eine junge Frucht in eines Kindes Hand.
23In seines Nabels engem Becher war
24das ganze Dunkel dieses hellen Lebens.
25Darunter hob sich licht die kleine Welle
26und floß beständig über nach den Lenden,
27wo dann und wann ein stilles Rieseln war.
28Durchschienen aber und noch ohne Schatten,
29wie ein Bestand von Birken im April,
30warm, leer und unverborgen, lag die Scham.
31Jetzt stand der Schultern rege Waage schon
32im Gleichgewichte auf dem graden Körper,
33der aus dem Becken wie ein Springbrunn aufstieg
34und zögernd in den langen Armen abfiel
35und rascher in dem vollen Fall des Haars.
36Dann ging sehr langsam das Gesicht vorbei:
37aus dem verkürzten Dunkel seiner Neigung
38in klares, waagrechtes Erhobensein.
39Und hinter ihm verschloß sich steil das Kinn.
40Jetzt, da der Hals gestreckt war wie ein Strahl
41und wie ein Blumenstiel, darin der Saft steigt,
42streckten sich auch die Arme aus wie Hälse
43von Schwänen, wenn sie nach dem Ufer suchen.
44Dann kam in dieses Leibes dunkle Frühe
45wie Morgenwind der erste Atemzug.
46Im zartesten Geäst der Aderbäume
47entstand ein Flüstern, und das Blut begann
48zu rauschen über seinen tiefen Stellen.
49Und dieser Wind wuchs an: nun warf er sich
50mit allem Atem in die neuen Brüste
51und füllte sie und drückte sich in sie, –
52daß sie wie Segel, von der Ferne voll,
53das leichte Mädchen nach dem Strande drängten.
55Hinter ihr,
56die rasch dahinschritt durch die jungen Ufer,
57erhoben sich den ganzen Vormittag
58die Blumen und die Halme, warm, verwirrt,
59wie aus Umarmung. Und sie ging und lief.
60Am Mittag aber, in der schwersten Stunde,
61hob sich das Meer noch einmal auf und warf
62einen Delphin an jene selbe Stelle.
63Tot, rot und offen.