1Zornige sahst du flackern, sahst zwei Knaben
2zu einem Etwas sich zusammenballen,
3das Haß war und sich auf der Erde wälzte
4wie ein von Bienen überfallnes Tier;
5Schauspieler, aufgetürmte Übertreiber,
6rasende Pferde, die zusammenbrachen,
7den Blick wegwerfend, bläkend das Gebiß
8als schälte sich der Schädel aus dem Maule.
9Nun aber weißt du, wie sich das vergißt:
10denn vor dir steht die volle Rosenschale,
11die unvergeßlich ist und angefüllt
12mit jenem Äußersten von Sein und Neigen,
13Hinhalten, Niemals-Gebenkönnen, Dastehn,
14das unser sein mag: Äußerstes auch uns.
15Lautloses Leben, Aufgehn ohne Ende,
16Raum-brauchen ohne Raum von jenem Raum
17zu nehmen, den die Dinge rings verringern,
18fast nicht Umrissen-sein wie Ausgespartes
19und lauter Inneres, viel seltsam Zartes
20und Sich-bescheinendes – bis an den Rand:
21ist irgend etwas uns bekannt wie dies?
22Und dann wie dies: daß ein Gefühl entsteht,
23weil Blütenblätter Blütenblätter rühren?
24Und dies: daß eins sich aufschlägt wie ein Lid,
25und drunter liegen lauter Augenlider,
26geschlossene, als ob sie, zehnfach schlafend,
27zu dämpfen hätten eines Innern Sehkraft.
28Und dies vor allem: daß durch diese Blätter
29das Licht hindurch muß. Aus den tausend Himmeln
30filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel,
31in dessen Feuerschein das wirre Bündel
32der Staubgefäße sich erregt und aufbäumt.
33Und die Bewegung in den Rosen, sieh:
34Gebärden von so kleinem Ausschlagswinkel,
35daß sie unsichtbar blieben, liefen ihre
36Strahlen nicht auseinander in das Weltall.
37Sieh jene weiße, die sich selig aufschlug
38und dasteht in den großen offnen Blättern
39wie eine Venus aufrecht in der Muschel;
40und die errötende, die wie verwirrt
41nach einer kühlen sich hinüberwendet,
42und wie die kühle fühllos sich zurückzieht,
43und wie die kalte steht, in sich gehüllt,
44unter den offenen, die alles abtun.
45Und was sie abtun, wie das leicht und schwer,
46wie es ein Mantel, eine Last, ein Flügel
47und eine Maske sein kann, je nach dem,
48und
49Was können sie nicht sein: war jene gelbe,
50die hohl und offen daliegt, nicht die Schale
51von einer Frucht, darin dasselbe Gelb,
52gesammelter, orangeröter, Saft war?
53Und wars für diese schon zu viel, das Aufgehn,
54weil an der Luft ihr namenloses Rosa
55den bittern Nachgeschmack des Lila annahm?
56Und die batistene, ist sie kein Kleid,
57in dem noch zart und atemwarm das Hemd steckt,
58mit dem zugleich es abgeworfen wurde
59im Morgenschatten an dem alten Waldbad?
60Und diese hier, opalnes Porzellan,
61zerbrechlich, eine flache Chinatasse
62und angefüllt mit kleinen hellen Faltern, –
63und jene da, die nichts enthält als sich.
64Und sind nicht alle so, nur sich enthaltend,
65wenn Sich-enthalten heißt: die Welt da draußen
66und Wind und Regen und Geduld des Frühlings
67und Schuld und Unruh und vermummtes Schicksal
68und Dunkelheit der abendlichen Erde
69bis auf der Wolken Wandel, Flucht und Anflug,
70bis auf den vagen Einfluß ferner Sterne
71in eine Hand voll Innres zu verwandeln.
72Nun liegt es sorglos in den offnen Rosen.