Georg Heym: Der Baum (1899)

1Am Wassergraben, im Wiesenland
2Steht ein Eichbaum, alt und zerrissen.
3Vom Blitze hohl, und vom Sturm zerbissen.
4Nesseln und Dorn umstehn ihn in schwarzer Wand.

5Ein Wetter zieht sich gen Abend zusammen.
6In die Schwüle ragt er hinauf, blau, vom Wind nicht gerührt.
7Von der leeren Blitze Gekränz umschnürt,
8Die lautlos über den Himmel flammen.

9Ihn umflattert der Schwalben niedriger Schwarm.
10Und die Fledermäuse huschenden Flugs,
11Um den kahlen Ast, der zuhöchst entwuchs
12Blitzverbrannt seinem Haupt, eines Galgens Arm.

13Woran denkst du, Baum, in der Wetterstunde
14Am Rande der Nacht? An der Schnitter Gered,
15In der Mittagsrast, wenn der Krug umgeht,
16Und die Sensen im Grase ruhn in der Runde?

17Oder denkst du daran, wie in alter Zeit
18Einen Mann sie in deine Krone gehenkt,
19Wie, den Strick um den Hals, er die Beine verrenkt,
20Und die Zunge blau hing aus dem Maule breit?

21Wie er da Jahre hing, und den Winter trug,
22In dem eisigen Winde tanzte zum Spaß,
23Und wie ein Glockenklöppel, den Rost zerfraß,
24An den zinnernen Himmel schlug.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Georg Heym (1887-1912)

* 10/30/1887 in Jelenia Góra, † 01/16/1912 in Gatow

männlich, geb. Heym

Unfalltod - Ertrinken

deutscher Schriftsteller, Vertreter des frühen Expressionismus

(Aus: Wikidata.org)

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