1Erhabner Schöpfer aller Welt!
2Die so viel Wunder in sich hält,
3Als auf dem Erdball Thiere leben;
4Als Sterne glänzen in der Höh;
5Als Körner hegt der Strand der See;
6Als Stäubchen in den Lüften schweben.
7Wie ungemein hat deine Macht
8Dieß Meisterstück hervor gebracht!
9Wo wären Erde, Luft und Meer,
10Wo aller Himmelslichter Heer,
11Dafern sie nicht von Dir entsprungen?
12Wer rief sie aus dem alten Nichts?
13Wer schuff den Glanz des ersten Lichts,
14Das durch die längste Nacht gedrungen?
15Hast Du, o Gott! durch Deine Macht
16Dieß alles nicht hervor gebracht?
17Du warst ja schon von Ewigkeit,
18Viel älter, als Natur und Zeit,
19Ein unumschränkt beglücktes Wesen.
20Du warst ja selig, auch allein!
21Was brauchtest Du der Dinge Seyn,
22Die Deine Weisheit sich erlesen?
23Gebrach Dir was, als Dein Verstand
24Den Weltbau schaffenswürdig fand?
25O nein! o nein! aus Güte bloß,
26Hast Du die Welt, so schön, so groß,
27So unermeßlich dargestellet;
28Wer zählt der hellen Kugeln Zahl,
29Daraus des regen Lichtes Stral,
30Bey Nacht das Firmament erhellet?
31Sie glänzen stets: wie wohl den Tag
32Ihr Glanz nicht überwinden mag.
33Wer hing der Wandelsterne Lauf
34In ungleich großen Höhen auf,
35Und hieß sie um die Sonne fließen?
36Wer wies doch jedem seinen Kreis,
37So kräftig, daß sie Bahn und Gleis
38Im Schwunge nicht verlassen müssen?
39Da sonst, was sich mit Schleudern regt,
40Den Mittelpunct zu fliehen pflegt.
41Wer wies doch allen Achsen an,
42Um die ihr Körper wirbeln kann,
43Wie sich der Erdball selbst beweget?
44Wer zeichnete den Angelstern
45Dem einen nah, dem andern fern,
46Von dem, der unsern Erdpol träget?
47Der uns die Zeit von Tag und Nacht,
48Zwar ungleich, doch beständig macht.
49O Schöpfer! Deine Weisheit bloß
50Gab dort und hier den ersten Stoß,
51Davon die Kugeln seitwärts rollten;
52Das machts, wenn sich der Erdball dreht,
53Daß Lenz und Sommer erst entsteht,
54Dann Herbst und Winter folgen sollten;
55Indem die Nord- und Süderwelt,
56Sich wechselnd nach der Sonne stellt.
57Der heiße Weltstrich nicht allein,
58Sollt reich an Thier und Pflanzen seyn,
59Und stets von heißen Stralen schmelzen.
60Nein! auch das Nord- und Süderland
61War eignen Bürgern zuerkannt;
62Drum muß die Erde so sich wälzen;
63Daß jeder Theil zu seiner Zeit,
64Durch größrer Wärme Kraft gedeiht.
65Nicht kleiner ist der Kugeln Werth,
66Die unsre Sonne noch verklärt,
67So nah und weit sie immer schweben!
68Sie wärmen sich an ihrem Licht,
69Dem auch der Wechsel nicht gebricht;
70Wie sollte kein Geschöpf da leben?
71Wie sollte nur die Erd allein,
72An Thier und Menschen fruchtbar seyn?
73Nein nein! umsonst ließ Gott gewiß
74Fünf Kugeln, Licht und Finsterniß,
75In festgesetzter Zeit nicht fühlen:
76Umsonst schuff Er nicht Wärm und Frost,
77Für Länder wo Er keine Kost,
78Für Thier und Menschen, wollt erzielen!
79Wo Winter, Lenz, und Sommer ist,
80Wird was beseeltes nicht vermißt.
81O! Jupitern muß offenbar,
82Der schönsten Monden doppelt Paar,
83Nicht ganz umsonst die Nacht erfreuen!
84Wo zündet wohl ein kluger Mann
85In wüsten Feldern Fackeln an,
86Die Finsternisse zu zerstreuen?
87O Schöpfer! Deiner Weisheit Pflicht,
88Thut wahrlich was vergeblichs nicht.
89Der Erdkreis ist so reich bewohnt,
90Doch glänzt ihm nur ein kleiner Mond:
91Dort hast Du viere dran gewendet.
92Saturn hat kaum an fünfen gnug,
93Davon der ungleich schnelle Flug
94Sich in sehr kurzer Zeit vollendet;
95Wer glaubt nun, daß ihr Silberlicht
96Umsonst der Nächte Schatten bricht?
97Und welch ein seltnes Wunderding
98Ist dieses Irrsterns heller Ring,
99Der rings umher in Lüften schwebet?
100Bald selber glänzt, bald dunkel macht;
101Wenn er der hellen Monden Pracht
102In seiner Schatten Flor begräbet.
103Wer hieng ihn zum Saturnus auf?
104Wie folgt er des Planeten Lauf?
105O Wunderthäter! Herr und Gott!
106Wie unbesonnen ist der Spott,
107Der Thoren, die Dein Thun nicht merken?
108Des Schwarms, der Deine Hand nicht sieht,
109Und sich voll Aberwitz bemüht,
110Des blinden Zufalls Macht zu stärken!
111Der doch mit aller seiner Kraft,
112Nur Abscheu und Verwirrung schafft.
113Sagt! war der Zufall denn so klug,
114Als er die Bahn des Mondes schlug,
115Ihm so die feste Spur zu zeigen;
116Daß er, wenn uns der Winter drückt,
117Mit vollem Antlitz zu uns rückt,
118Den Norderhimmel zu besteigen;
119Bey unsrer längsten Tage Pracht,
120Am Südpol helle Nächte macht?
121Geh! schäme dich, verirrte Zunft!
122Die du mit blinder Unvernunft
123Im Finstern tappst, wo Sonnen glänzen:
124Siehst du denn nicht der Allmacht Kraft,
125Die stets des Erdballs bestes schafft,
126Wenn Sommer, Winter, Herbst und Lenzen,
127Das ganze Volk bewohnter Welt,
128Im Wechsel überall erhält?
129Und wär auch unser Silbermond
130Nicht von Geschöpfen reich bewohnt,
131So müßt er uns beständig leuchten.
132Warum zeigt uns sein Angesicht,
133Nicht allemal ein volles Licht,
134Wenn Thau und Nebel ihn nicht feuchten?
135Ist auch ein leerer Klump wohl werth,
136Daß ihn die Sonn ringsum verklärt?
137Gieb Acht auf ihn! wie kehrt er sich
138In Monatsfrist so ordentlich,
139Nach dem beliebten Sonnenlichte!
140Man sieht, daß er nach Wärme strebt,
141Und so wird er ringsum belebt;
142Und nichts geht ihm vor Frost zunichte.
143Daß auch sein Bürger leben soll;
144Drum scheint er uns nicht täglich voll.
145Ein mindrer Grad Geschwindigkeit,
146Könnt ihn mit uns in gleicher Zeit,
147Um unsers Kreises Brennpunct führen.
148So blieb er wohl ein Wandelstern;
149Und dörfte doch, wie Mars, von fern,
150Sein rundes Antlitz nie verlieren;
151Auf unsrer Hälfte voller Schein,
152Auf jener ewig finster seyn.
153Genug! die Weisheit schuff die Welt,
154Die doch viel mehr noch in sich hält,
155Als lauter Sonnen und Planeten.
156Wo bleibt die ungemeine Zahl
157Der durch den blassen Dunst und Stral,
158Geschwänzt und bärtigen Kometen?
159Darauf, o Gott! Dein Allmachtruff,
160Nicht minder Creaturen schuff.
161Ihr seltner Lauf entrückt sie nur,
162Auf einer langgestreckten Spur,
163Viel Jahre durch, dem Blick der Erden.
164Doch können sie, bald kalt, bald warm,
165Durch Deiner Güte Vaterarm,
166Wohl an Geschöpfen fruchtbar werden:
167Wenn selbst der Dampf, der uns erschreckt,
168Sie vor der Sonnenhitze deckt.
169Schon mehr als dreyßig sind gezählt,
170Wo unsrer Sonne Licht nicht fehlt.
171Wer weis? ob wir die Hälfte kennen?
172Wir wissen ja das Zehntheil kaum,
173Von dem, was in des Himmels Raum,
174Für flammenreiche Kugeln brennen:
175Die doch der Ausspruch kluger Welt
176Schon längst für lauter Sonnen hält.
177Und wenn nun dieser Sonnen Heer,
178Nicht mindern Welten dienstbar wär,
179Als unser Sonnenball belebet?
180Wie groß wird da die Anzahl seyn,
181Der Kugeln, die ihr blasser Schein,
182In tiefer Himmel Nacht begräbet?
183Ach! in wie vieler Welten Schooß,
184Bist Du, o Gott! an Wundern groß!
185Dich lobt der Körper große Zahl,
186Die Du, mit tadelfreyer Wahl,
187Aus ihrem alten Nichts gezogen.
188Dich lobt der Geister freyer Mund;
189Wird ihm Gesetz und Ordnung kund,
190Darnach Du alles abgewogen.
191Dich lobt, o Gott! Dein weites Reich:
192Ja, Schöpfer, Dir ist niemand gleich!
193Bey so viel tausend Wundern nun,
194Was ist der Mensch, und all sein Thun,
195Daß Du, o Höchster! sein gedenkest?
196Verdient ers, daß ihm Deine Hand
197So manche Wohlthat zugewandt,
198Womit Du stündlich ihn beschenkest?
199War ers in seinem Nichts wohl werth,
200Daß Du auch ihn zum Seyn begehrt?
201Der trefflichsten Geschöpfe Zier,
202Viel tausend Geister dienen Dir,
203Die dort in höhern Sphären wohnen.
204Erhabne Seelen beßrer Kraft,
205Von ungleich größrer Eigenschaft,
206Verehren Dich zu Millionen.
207Wie können wir uns unterstehn,
208Unendlicher! Dich zu erhöhn?
209Ist unsers Lebens längste Zeit
210Vor Dir wohl einer Spanne breit?
211Währt unser Hauch wohl wenig Stunden?
212Fährt unser Seyn nicht wie der Wind?
213Denn eh ein dünner Rauch verschwindt,
214Ist unser Odem schon verschwunden;
215Vor Dir, o Gott, dem tausend Jahr
216Ein Tag ja noch viel minder war.
217Sind tausend Jahre Dir ein Tag?
218Wie kömmts, daß man sich schmäucheln mag,
219Auf dieser Flucht noch alt zu werden?
220Kaum einer lebt den zehnten Theil!
221Die größte Meng entflieht in Eil
222Der Eitelkeit bewohnter Erden.
223Kaum hat sie funfzig Jahr erstrebt,
224So hat sie völlig ausgelebt.
225Dieß Ziel, o Gott, Dem niemand gleicht!
226Hat meiner Tage Lauf erreicht,
227Hat itzt Dein Knecht beglückt errungen!
228Dein Wink hat meine Kraft gestärkt,
229Daß Seel und Körper unvermerkt
230Ein halb Jahrhundert durchgedrungen;
231Bevor, was Geist und Glieder rührt,
232Der mindsten Schwächung Grad gespürt.
233Wie manchen Freund hab ich gekannt,
234Der sich bey gleichen Kräften fand;
235Und gleichwohl längst vor mir erblichen?
236In frischer Jugend, voller Saft,
237Verlohr so mancher Geist und Kraft,
238Ist mancher schnell der Welt entwichen.
239Auch manch Geschwister wird vermißt,
240Das mir sehr jung entrissen ist.
241Herr! war ichs vor so vielen werth,
242Daß meine Kraft sich nicht verzehrt,
243Wie Lampen deren Tocht verglimmet.
244Hat Deine Vorsicht mich ersehn,
245Zu Diensten, die noch nicht geschehn,
246Und die Dein Rathschluß schon bestimmet?
247Bin ich geschickt dazu erkannt?
248Sieh, Herr! ich bin in Deiner Hand.
249Du bist der Töpfer, ich der Thon;
250Du Herr! der Vater; ich der Sohn;
251Ich bin das Werkzeug, Du der Meister!
252Mach alles, was Du willst, mit mir!
253Nur wirf mich nicht erzürnt von Dir,
254Du höchstes Gut erschaffner Geister!
255Laß meinen Dienst nur nicht gemein,
256Nicht schändlich, nicht verwerflich seyn.
257Mein Zweck war schon von Kindheit an,
258So viel ich mich besinnen kann,
259Mit Ernst der Welt und Dir zu dienen.
260Du weist, daß meiner jungen Brust,
261Die Reizung lasterhafter Lust
262Schon als ein süßes Gift geschienen:
263Was mancher höchst bemüht gesucht,
264Davor nahm ich sehr oft die Flucht.
265Dein Geist hat mich getreu regiert,
266Und mancher Tugend zugeführt,
267Die sonst der Jugend Trieb verfehlet.
268Dem dank ichs, nicht der eignen Kraft,
269Daß ich den Weg der Wissenschaft
270Auf meines Vaters Wink erwählet.
271Die erste Wohlthat Deiner Hand
272Hat mir den Führer zugewandt.
273Der lenkte mich von Jugend auf
274Von jener Bahn, wo sonst der Lauf
275Durch viele Lasterpfützen leitet:
276Wenn junger Herzen Lüsternheit
277In großer Städte Wildigkeit
278Mehr Böses lernt, als Kunst erbeutet.
279Gott! vor Gefahren solcher Art,
280Hat mich des Vaters Fleiß bewahrt.
281Sein treugemeynter Unterricht,
282Wies mir der freyen Künste Licht,
283Und was die alten Sprachen nützen.
284Er selber legte so den Grund,
285Er selber that mir spielend kund,
286Wobey sonst Knaben mühsam schwitzen;
287Bis ich im dreymal fünften Jahr,
288Zu höhern Schulen tüchtig war.
289Hier wiesest du mir Gönner an,
290Die meines armen Fleißes Bahn
291Durch Huld und Wohlthun unterstützten.
292Mein Mangel ward durch Zuschub leicht,
293Die Lehrer wurden mir geneigt,
294Indem sie meinen Eifer schützten;
295Bis ihre Hand mir noch zuletzt
296Den Hut der Lehrer aufgesetzt.
297Bisher sah mich mein Preußenland;
298Als deine weise Vaterhand
299Mich auch durch Trübsal prüfen wollte.
300Ein Unfall, welcher mich bedroht,
301Ward mir ein Ruf, der schnell geboth,
302Daß ich die Fremde suchen sollte.
303Woselbst mir doch, kaum auf ein Jahr,
304Der Unterhalt in Händen war.
305Herr! der Du auch die Raben hörst,
306Und oft der Armen Kad vermehrst,
307Auch mir hat nichts gebrechen müssen!
308Du reichtest mir so Kleid als Brodt,
309In Meißen traf mich keine Noth;
310Hier war ich aller Furcht entrissen!
311Hier gab der Fleiß durch Mund und Hand
312Mir fast ein neues Vaterland.
313Was sag ich? Nein! Wer sonst, als Du,
314Wandt mir der Großen Neigung zu,
315Die für der Musen Wohlfahrt wachen?
316Bald weist
317Sich auch geneigt, mein Glück zu machen;
318Sie wiesen mir ein Lehramt an,
319Das Müh und Fleiß ermuntern kann.
320Wenn Mund und Kiel sich manches Jahr
321Bestrebt, die Weisheit recht zu lehren;
322So ward mein Eifer sehr gestärkt,
323So oft ich dankbar angemerkt,
324Daß sich Dein Segen schien zu mehren:
325Wenn Adel, Graf und Prinz sogar
326Um meinen Hörsaal eifrig war.
327Der hohen Schulen Purpurtracht
328Hast Du mir viermal zugedacht,
329Das edle
330Wenn mir der größten Männer Wahl,
331Der Musen Zepter anbefahl,
332Die Pindus-Bürger einzuschränken;
333Die mir doch oft, bey stiller Nacht,
334Der Seytenspiele Dank gebracht.
335Wie vieler Großen Huld und Gunst
336Hat mir nicht Wissenschaft und Kunst,
337Durch Deine Fügung, zugezogen!
338Auch Fürsten wurden mir geneigt,
339Und Habens in der That gezeigt,
340Und sind mir itzo noch gewogen.
341Des
342Hat mir den Zutritt jüngst erlaubt.
343Was sag ich von der süßen Eh,
344Darinn ich durch Dein Fügen steh,
345O Vater! der Du Herzen bindest!
346Du hast die Gattinn mir ersehn,
347Die Du in Gram und Wohlergehn
348Mir treugesinnt und redlich findest;
349So daß ich ihren edlen Sinn
350Dir zu verdanken schuldig bin.
351Zwar hat es mir, nach Art der Welt,
352Die nichts vollkommnes in sich hält,
353Auch nicht an Haß und Neid gefehlet.
354Doch hab ich gegen manchen Feind,
355Die Brust, die sonst nicht fühllos scheint,
356Mit Großmuth und Geduld umstählet;
357Und was die Lästersucht erdacht,
358Durch sanftes Schweigen stumpf gemacht.
359Dieß sag ich nicht, als ob ich frey
360Von Fehlern, Maal und Narben sey,
361Die diesen mehr, als den, beflecken:
362Nein Herr! Du kennest Herz und Sinn!
363Und weist schon, wo ich schuldig bin:
364Was darf ichs Dir noch erst entdecken?
365Du weist, daß ichs geduldig trug,
366So oft mich deine Ruthe schlug.
367Ich küsse deine Vaterhand,
368Die ich noch stets geschäfftig fand,
369Mein unverrücktes Wohl zu bauen.
370Der will ich ferner was ich bin,
371Mein Glück und Leben, Leib und Sinn,
372Kurz, was nur mein ist, anvertrauen.
373Jedoch, o Gott! was ist wohl mein?
374Ich, Welt und Himmel sind ja dein.
375Kann ich hier noch was Gutes thun,
376So laß mich, Höchster! niemals ruhn,
377Was Dir gefällt, ins Werk zu setzen!
378Doch läuft mein Stundenglas bald aus:
379So führe mich in jenes Haus,
380Wo Du die Deinen wirst ergetzen!
381Da will ich mehr, als hier geschehn,
382Die Wunder Deiner Weisheit sehn.