1Wenn Ende September Kartoffelfeuer
2Mit weißem Schleier bedecken das Land,
3Dann denk' ich an manches, was ich als teuer
4In meiner Erinnerung halte gebannt.
5Verflossene Zeiten, verflogene Tage,
6In rosigen Wolken die ganze Welt,
7Als noch nicht das Leben die häßliche Frage
8»beruf und Brot?« an uns hatte gestellt.
9O Hannes mit knallroten Spitzbubenhaaren,
10O Wolf mit dem pechschwarzen Lockenkopf,
11Ich selber, ein Nichtsnutz von dreizehnhalb Jahren,
12Mit Kletten und Disteln im flachsblonden Schopf.
13Barfüßig, barköpfig, zerrissene Hosen,
14Am Knie schimmert durch die bräunliche Haut –
15O herrliche Zeit, wo mit sorgenlosen
16Blauaugen ich keck in die Stunden geschaut.
17Kein Wasser zu tief, zu hoch keine Höhe,
18Kein Apfel zu sauer, kein Vogel zu flink –
19In unserm frechfrohen Raubkönigreiche
20Da wurde geknechtet, was mit uns nicht ging.
21Die Katzenjagd stand bei uns mächtig in Blüte,
22Es mieden die Hunde sehr schnell uns're Näh,
23Dem Flurschützen war'n wir ein Dorn im Gemüte,
24Dem Obstbaumbesitzer ein fressendes Weh.
25Im Buchwald am Seerand, da war eine Ecke,
26Von Weiden umwuchert, von Dornen geschützt.
27Wir brieten in sicherem Räuberverstecke
28Uns dort die Kartoffeln, die wir uns stibitzt.
29Wir rauchten getrocknete Wallnußbaumblätter
30Aus Pfeifen, geschnitzelt aus Ellernholz,
31Und fühlten uns selig, wie Helden und Götter,
32Wir Fürsten der Wildnis, verwegen und stolz.
33Wir hauten uns auch, daß die Haare so flogen
34Und blaubeulig wurden Kopf und Gesicht,
35Und wurde dafür dann auch Wichse bezogen
36Zu Haus' vom Papa, das genierte uns nicht.
37Jetzt gehn wir geputzt nach der neuesten Mode
38Mit schneeweißem Kragen und blitzblankem Hut,
39Wir kommen vor Höflichkeit fast noch zu Tode
40Und tuen getreu, was ein jedermann tut.
41Du wirbelnder Rauch der Kartoffelfeuer,
42Erinn'rer an alte, verflossene Zeit,
43Wie ist mir dein herber Geruch doch so teuer,
44Du bleibst mir als Jugenderinn'rung geweiht.