1Braune Kormorane flogen
2Mächtigklafternd übers Meer,
3Grau und weiße Möwen zogen
4Kreischend um den Dampfer her,
5Heringsbänke, silberblank
6Unter grünen Wellen,
7Auf dem Decke lauter Sang
8Narbiger Gesellen.
9Sie stand am Backbord: farblos, ohne Blut
10Das Antlitz war; ihre Auge, blauumrändert,
11Das starrte trostlos, kalt und unverändert
12Hinunter auf der Ostsee dunkle Flut;
13Ein blaues Kleid umschloß den schlanken Leib,
14Am schwarzen Hut der Federschmuck vom Reiher,
15Und lustig flatterte der weiße Schleier,
16Dem Ostwind ein willkommener Zeitvertreib.
17Rügens Kreidemauern ragten
18Aus dem Meere marmorhell,
19Weißbemützte Wogen jagten
20Über Feuersteingeröll,
21Ostwind, Sonne, Fischgeruch,
22Fernsicht, goldbeschienen,
23Scherze, froher Seemannsfluch,
24Ausgelaßne Mienen.
25Sie seufzte, langsam hob sich ihre Brust,
26Das weiße Händchen stützte müd die Schläfe,
27So jung, und schon des Lebens letzter Hefe
28Fadbittrer Nachgeschmack nach wenig Lust.
29Zu der Kajüte ging ihr müder Schritt,
30Die Arme hingen schlaff am Leib hernieder,
31Kontrast; »So leben wir –« und andre Lieder,
32Sie ging, und meine Augen nahm sie mit.
33Gellend in den blauen Lüften
34Scholl des Adlers Hungerschrei,
35An den weißen Kreideklüften
36Schoß der Dampfer stolz vorbei,
37Glatte Robben flohen schnell
38Nach dem flachen Strande,
39Kurze Wellen glühten hell
40Auf im Sonnenbrande.
41Sie trat aus der Kajüte leichenblaß,
42Das blaue Auge schwarz vom Tod umschattet,
43Die Lippen fahl, vom Todeskuß ermattet,
44Und von der Stirne lief das kalte Naß;
45Sie sah sich hilflos, hilfeflehend um:
46»herr Kapitän, ich wollte Ihnen sagen –«
47Kein Mensch wird ihren Willen mehr erfragen, –
48Sie wankte, fsiel, und ward für immer stumm.
49Langsam sank des Nebels Laken
50Über Meer und Buchengrün,
51An des Leuchtschiffs Eisenhaken
52Schwache Feuerpunkte glühn,
53Schnell die Sonne ward entthront,
54Licht und Glut zerflogen,
55Und der totenbleiche Mond
56Küßte schwarze Wogen. –
57Sie lag auf dem Verdecke still und kalt,
58Ein Mediziner kniete bei ihr nieder
59Und prüfte ernst den Herzschlag unterm Mieder,
60Und eine Flut von Fragen um ihn schallt:
61»woher, wohin? Kein Mensch hat sie gekannt?« –
62»durch eigne Hand, Blausäure, keine Rettung!« –
63Mit Mut zerriß sie des Geschicks Verkettung,
64Und Greifswalds Friedhof ward ihr Rettungsstrand.