Joseph von Eichendorff: 2. (1822)

1Von kühnen Wunderbildern
2Ein großer Trümmerhauf,
3In reizendem Verwildern
4Ein blühnder Garten drauf;

5Versunknes Reich zu Füßen,
6Vom Himmel fern und nah,
7Aus anderm Reich ein Grüßen –
8Das ist Italia!

9Wenn Frühlingslüfte wehen
10Hold übern grünen Plan,
11Ein leises Auferstehen
12Hebt in den Tälern an.

13Da will sich's unten rühren
14Im stillen Göttergrab,
15Der Mensch kann's schauernd spüren
16Tief in die Brust hinab.

17Verwirrend in den Bäumen
18Gehn Stimmen hin und her,
19Ein sehnsuchtsvolles Träumen
20Weht übers blaue Meer.

21Und unterm duft'gen Schleier
22Sooft der Lenz erwacht,
23Webt in geheimer Feier
24Die alte Zaubermacht.

25Frau Venus hört das Locken,
26Der Vögel heitern Chor,
27Und richtet froh erschrocken
28Aus Blumen sich empor.

29Sie sucht die alten Stellen,
30Das luft'ge Säulenhaus,
31Schaut lächelnd in die Wellen
32Der Frühlingsluft hinaus.

33Doch öd sind nun die Stellen,
34Stumm liegt ihr Säulenhaus,
35Gras wächst da auf den Schwellen,
36Der Wind zieht ein und aus.

37Wo sind nun die Gespielen?
38Diana schläft im Wald,
39Neptunus ruht im kühlen
40Meerschloß, das einsam hallt.

41Zuweilen nur Sirenen
42Noch tauchen aus dem Grund,
43Und tun in irren Tönen
44Die tiefe Wehmut kund. –

45Sie selbst muß sinnend stehen
46So bleich im Frühlingsschein,
47Die Augen untergehen,
48Der schöne Leib wird Stein. –

49Denn über Land und Wogen
50Erscheint, so still und mild,
51Hoch auf dem Regenbogen
52Ein andres Frauenbild.

53Ein Kindlein in den Armen
54Die Wunderbare hält,
55Und himmlisches Erbarmen
56Durchdringt die ganze Welt.

57Da in den lichten Räumen
58Erwacht das Menschenkind,
59Und schüttelt böses Träumen
60Von seinem Haupt geschwind.

61Und, wie die Lerche singend,
62Aus schwülen Zaubers Kluft
63Erhebt die Seele ringend
64Sich in die Morgenluft.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

* 03/10/1788 in Ratibor, Oberschlesien, † 11/26/1857 in Neisse, Oberschlesien

männlich, geb. Eichendorff

natürliche Todesursache - Lungenentzündung

bedeutender Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik

(Aus: Wikidata.org)

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