Joseph von Eichendorff: Von Engeln und von Bengeln (1822)

1Im Frühling auf grünem Hügel
2Da saßen viel Engelein,
3Die putzten sich ihre Flügel
4Und spielten im Sonnenschein.

5Da kamen Störche gezogen,
6Und jeder sich eines nahm,
7Und ist damit fortgeflogen,
8Bis daß er zu Menschen kam.

9Und wo er anklopft' bescheiden
10Der kluge Adebar,
11Da war das Haus voller Freuden –
12So geht es noch alle Jahr.

13Die Engel weinten und lachten
14Und wußten nicht, wie ihn'n geschehn. –
15Die einen doch bald sich bedachten,
16Und meinten: das wird wohl gehn!

17Die machten bald wichtige Mienen
18Und wurden erstaunlich klug,
19Die Flügel gar unnütz ihn'n schienen,
20Sie schämten sich deren genug.

21Und mit dem Flügelkleide
22Sie ließen den Flügelschnack,
23Das war keine kleine Freude:
24Nun stattlich in Hosen und Frack!

25So wurden sie immer gescheuter
26Und applizierten sich recht –
27Das wurden ansehnliche Leute,
28Befanden sich gar nicht schlecht.

29Den andern war's, wenn die Aue
30Noch dämmert' im Frühlingsschein,
31Als zöge ein Engel durchs Blaue
32Und rief' die Gesellen sein.

33Die suchten den alten Hügel,
34Der lag so hoch und weit –
35Und dehnten sehnsüchtig die Flügel
36Mit jeder Frühlingszeit.

37Die Flügeldecken zersprangen,
38Weit, morgenschön strahlt' die Welt,
39Und übers Grün sie sich schwangen
40Bis an das Himmelszelt.

41Das fanden sie droben verschlossen,
42Versäumten unten die Zeit –
43So irrten die kühnen Genossen,
44Verlassen in Lust und Leid. –

45Und als es nun kam zum Sterben,
46Gott Vater zur Erden trat,
47Seine Kinder wieder zu werben,
48Die der Storch vertragen hat.

49Die einen konnten nicht fliegen,
50So wohlleibig, träg und schwer,
51Die mußt Er da lassen liegen,
52Das tat ihm leid so sehr.

53Die andern streckten die Schwingen
54In den Morgenglanz hinaus,
55Und hörten die Engel singen,
56Und flogen jauchzend nach Haus!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

* 03/10/1788 in Ratibor, Oberschlesien, † 11/26/1857 in Neisse, Oberschlesien

männlich, geb. Eichendorff

natürliche Todesursache - Lungenentzündung

bedeutender Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik

(Aus: Wikidata.org)

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