1Was wehst du, süße Himmelsluft,
2Um meine frischen Locken?
3Was streut ihr, Zweige, Balsamduft
4In weißen Blütenflocken?
5Was flötest du, o Nachtigall,
6Der Minne Freud' mit süßem Schall?
7Was klingt in frohen Wellen
8Ihr, kleine Murmelquellen?
9Die Rose blüht, das Wasser rauscht
10Im Frühlingsklange hinnen,
11Die Jugend spielt am Bach und lauscht
12Mit süßbetörten Sinnen –
13O holde Jugend, bald verbleicht
14Die Blum' am Bache, bald entfleucht
15Der Liebe Zauberkehle
16Den Büschen, Philomele.
17Der Pflüger mit dem Lerchensang
18Begrüßt den Tau der Frühe,
19Der Schnitter geht im Sensenklang
20Gebückt den Tag der Mühe;
21Dann schwellt ihm die beklommne Brust
22Erinnrung der entflohnen Lust,
23Er fühlt des Lebens Narben
24Und weint auf seine Garben.
25So klingt der Weisen Klage:
26Er spielet um der Wiege Flaum
27Mit goldnem Flügelschlage,
28Wird dann zum heißen Mittagswind,
29Daß Schweiß uns von der Stirne rinnt,
30Und stürmt zuletzt in Flocken
31Um unsre grauen Locken.
32Doch manche holde Blume sinkt
33Auch in dem Lenz der Tage,
34Des grausen Schnitters Sense blinkt
35Mit jedem Glockenschlage,
36Sie mäht den Jüngling und den Greis,
37Die Jungfrau mit dem Myrtenreis
38Und bleicht die zarten Züge
39Des Kindleins in der Wiege.