1Alzindor und Luzinde
2Genossen lange Zeit,
3Beschützt von Cypris Kinde,
4Das Glück der Zärtlichkeit:
5Der Mutter bliebs verborgen,
6Wie lieblich manche Nacht
7Bis an den grauen Morgen
8Die Tochter zugebracht.
9Der Jüngling stieg behende
10Zum Fenster ein und aus:
11So klettert an die Wände
12Und auf das Taubenhaus
13Die blickbeflammte Katze
14Des Nachts mit kühner List,
15Wie er zu seinem Schatze
16Hinaufgeklettert ist.
17Was sie dort alles thaten,
18Von Wonne ganz berauscht,
19Das mögen die errathen,
20Die nie der Mond belauscht
21Bey schlaugestohlnen Küßen,
22Die niemals nachgedacht,
23Was ohne Vulkans Wissen
24Mars bey der Venus macht.
25Doch großes Glück ist, leider!
26Wie aller Welt bekannt,
27Nicht ohne bittre Neider,
28Nicht frey von Unbestand.
29Alzindors Freund, voll Tücke,
30Gab insgeheim sich Müh,
31Das er ihr Herz berücke;
32Und ihn verschmähte sie.
33Da sucht er sich zu rächen,
34Nach Art der jungen Herrn,
35Die viel aus Prahlsucht sprechen
36Von Schönen, die sie gern
37Durch Schmeichelkunst betrogen. –
38Hört, wie der Höllenbrand
39Alzindors Ohr belogen
40Und leichten Glauben fand!
41Von Bosheit angetrieben,
42Spricht sein verwünschter Mund:
43Lucind' hat mir geschrieben,
44Daß ich den Liebesbund
45Mit ihr vollziehen solle,
46Und daß sie schon darzu
47Ein Mittel finden wolle,
48Wie man es heimlich thu.
49Alzindor wird durchdrungen
50Von gräulich wilder Wuth. –
51Wie nach Verlust des Jungen,
52Die Löwinn Jägerblut
53Im Walde brüllend fodert,
54So fodert er voll Glut,
55Die schröcklich in ihm lodert,
56Lucindens Busenblut.
57O! Weh, o! Schreck, o! Jammer,
58Mit bloßem Degen kömmt
59Er schnell in ihre Kammer,
60Und stürzet, ungehemmt
61Von ihrer süßen Stimme,
62Wie Sturmwind auf sie zu;
63Und fragt mit Donnerstimme:
64Sag' an: Wem schreibest du?
65Lucinde spricht gelassen:
66An deinen Freund schrieb ich.
67Ha! nun mußt du erblassen,
68Ruft er; und mörderlich
69Fährt ihr bey sanften Lächeln
70Der Degen stark und tief
71Ins Herz; und ach! mit Röcheln
72Lallt sie: Hier ist – der – Brief.
73Sie sinkt, und läßt im Sinken
74Ihr Auge, brechendmatt,
75Noch seine Blicke trinken.
76Er liest das Unglücksblatt:
77Dem Lügner war geschrieben:
78Herr, plagt mich länger nicht!
79Nur einen kann ich lieben,
80Und dieser seyd ihr nicht.
81O Scheusal! – ruft er plötzlich:
82Stirb nach, hier liegt dein Weib!
83Drauf sticht er sich entsetzlich,
84Wie Kato, durch den Leib;
85Fällt auf Lucindens Leiche,
86Stirbt ächzend, und verflucht
87Nunmehr in Plutos Reiche
88Den Zorn der Eifersucht.