Nikolaus Lenau: Der Postillion (1833)

1Lieblich war die Maiennacht,
2Silberwölklein flogen,
3Ob der holden Frühlingspracht
4Freudig hingezogen.

5Schlummernd lagen Wies und Hain,
6Jeder Pfad verlassen;
7Niemand als der Mondenschein
8Wachte auf der Straßen.

9Leise nur das Lüftchen sprach,
10Und es zog gelinder
11Durch das stille Schlafgemach
12All der Frühlingskinder.

13Heimlich nur das Bächlein schlich,
14Denn der Blüten Träume
15Dufteten gar wonniglich
16Durch die stillen Räume.

17Rauher war mein Postillion,
18Ließ die Geißel knallen,
19Über Berg und Tal davon
20Frisch sein Horn erschallen.

21Und von flinken Rossen vier
22Scholl der Hufe Schlagen,
23Die durchs blühende Revier
24Trabten mit Behagen.

25Wald und Flur im schnellen Zug
26Kaum gegrüßt – gemieden;
27Und vorbei, wie Traumesflug,
28Schwand der Dörfer Frieden.

29Mitten in dem Maienglück
30Lag ein Kirchhof innen,
31Der den raschen Wanderblick
32Hielt zu ernstem Sinnen.

33Hingelehnt an Bergesrand
34War die bleiche Mauer,
35Und das Kreuzbild Gottes stand
36Hoch, in stummer Trauer.

37Schwager ritt auf seiner Bahn
38Stiller jetzt und trüber;
39Und die Rosse hielt es an,
40Sah zum Kreuz hinüber:

41»halten muß hier Roß und Rad,
42Mags euch nicht gefährden:
43Drüben liegt mein Kamerad
44In der kühlen Erden!

45Ein gar herzlieber Gesell!
46Herr, 's ist ewig schade!
47Keiner blies das Horn so hell
48Wie mein Kamerade!

49Hier ich immer halten muß,
50Dem dort unterm Rasen
51Zum getreuen Brudergruß
52Sein Leiblied zu blasen!«

53Und dem Kirchhof sandt er zu
54Frohe Wandersänge,
55Daß es in die Grabesruh
56Seinem Bruder dränge.

57Und des Hornes heller Ton
58Klang vom Berge wieder,
59Ob der tote Postillion
60Stimmt' in seine Lieder. –

61Weiter gings durch Feld und Hag
62Mit verhängtem Zügel;
63Lang mir noch im Ohre lag
64Jener Klang vom Hügel.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

    Rezitation von
    Fritz Stavenhagen

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Author

Nikolaus Lenau (1802-1850)

* 08/13/1802 in Lenauheim, † 08/22/1850 in Oberdöbling

männlich, geb. Lenau

österreichischer Schriftsteller (1802-1850)

(Aus: Wikidata.org)

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