1Stille! – jedes Lüftchen schweiget,
2Jede Welle sank in Ruh,
3Und die matte Sonne neiget
4Sich dem Untergange zu.
5Ob die Wolke ihn belüde
6Allzutrübe, allzuschwer,
7Leget sich der Himmel, müde,
8Nieder auf das weiche Meer.
9Und vergessend seiner Bahnen,
10Seines Zieles, noch so weit!
11Ruht das Schiff mit schlaffen Fahnen
12In der tiefen Einsamkeit.
13Daß den Weg ein Vogel nähme,
14Meinem Aug ein holder Fund!
15Daß doch nur ein Fischlein käme,
16Fröhlich tauchend aus dem Grund!
17Doch kein Fisch, der sich erhübe,
18Und kein Vogel kommen will.
19Ist es unten auch so trübe?
20Ist es unten auch so still? –
21Wie mich oft in grünen Hainen
22Überrascht' ein dunkles Weh,
23Muß ich nun auch plötzlich weinen,
24Weiß nicht wie? – hier auf der See.
25Trägt Natur auf allen Wegen
26Einen großen, ewgen Schmerz,
27Den sie mir als Muttersegen
28Heimlich strömet in das Herz?
29O, dann ist es keine Lüge,
30Daß im Schoß der Wellennacht
31In verborgener Genüge
32Ein Geschlecht von Menschen wacht.
33Dort auch darf der Freund nicht fehlen,
34Wie im hellen Sonnentag,
35Dem Natur ihr Leid erzählen,
36Der mit ihr empfinden mag.
37Doch geheim ist seine Stelle
38Und Geheimnis, was er fühlt,
39Dem die Tränen an der Quelle
40Schon das Meer von dannen spült.