Nikolaus Lenau: Der Schmetterling (1833)

1Es irrt durch schwanke Wasserhügel
2Im weiten, windbewegten Meer
3Ein Schmetterling mit mattem Flügel
4Und todesängstlich hin und her.

5Ihn triebs vom trauten Blütenstrande
6Zur Meeresfremde fern hinaus;
7Vom scherzend holden Frühlingstande
8Ins ernste, kalte Flutgebraus.

9Auf glattgestreckte, sanfte Wogen
10Hatt ihm das Meergras trügerisch
11Viel schönre Wiesen hingelogen,
12Wie westgeschaukelt, blumenfrisch.

13Ihm war am Strand das leise Flüstern
14Von West und Blüte nicht genug,
15Es trieb hinaus ihn, wählig lüstern,
16Zu wagen einen weitern Flug.

17Kaum aber war vom Strand geflogen
18Des Frühlings ungeduldges Kind:
19Kam sausend hinter ihm gezogen
20Und riß ihn fort der böse Wind;

21Stets weiter fort von seines Lebens
22Zu früh verlornem Heimatglück;
23Der schwache Flattrer ringt vergebens
24Nach dem verschmähten Strand zurück.

25Von ihrem Schiffe Wandersleute
26Mit wehmutsvollem Lächeln sehn
27Die zierlich leichte Wellenbeute,
28Den armen Schmetterling vergehn.

29O Faust, o Faust, du Mann des Fluches!
30Der arme Schmetterling bist du!
31Inmitten Sturms und Wogenbruches
32Wankst du dem Untergange zu.

33Du wagtest, eh der Tod dich grüßte,
34Vorflatternd dich ins Geistermeer;
35Du gehst verloren in der Wüste,
36Von wannen keine Wiederkehr.

37Wohl schauen dich die Geisterscharen,
38Erbarmen lächelnd deinem Leid;
39Doch müssen sie vorüberfahren,
40Fortsteuernd durch die Ewigkeit.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Nikolaus Lenau (1802-1850)

* 08/13/1802 in Lenauheim, † 08/22/1850 in Oberdöbling

männlich, geb. Lenau

österreichischer Schriftsteller (1802-1850)

(Aus: Wikidata.org)

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