1Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit
2Der ungestörten Einsamkeit!
3Denn seine Herde treibt der laute Tag
4In unsern grünenden Gedankenhag,
5Die schönsten Blüten werden abgefressen,
6Zertreten oft im Keime und vergessen.
7Trägt aber uns der Schlaf mit weicher Hand
8Ins Zauberboot, das heimlich stoßt vom Strand,
9Und lenkt das Boot im weiten Ozean
10Der Traum herum, ein trunkner Steuermann,
11So sind wir nicht allein, denn bald gesellen
12Die Launen uns der unbeherrschten Wellen
13Mit Menschen mancherlei, vielleicht mit solchen,
14Die feindlich unser Innres tief verletzt,
15Bei deren Anblick sich das Herz entsetzt,
16Getroffen von des Hasses kalten Dolchen;
17An denen gerne wir vorüberdenken,
18Um tiefer nicht den Dolch ins Herz zu senken. –
19Dann wieder bringen uns die Wellenfluchten,
20Wohin wir wachend nimmermehr gelangen,
21In der Vergangenheit geheimste Buchten,
22Wo uns der Jugend Hoffnungen empfangen.
23Was aber hilfts? wir wachen auf – entschwunden
24Ist all das Glück, es schmerzen alte Wunden.
25Schlaflose Nacht, du bist allein die Zeit
26Der ungestörten Einsamkeit!