1Wie Merlin
2Möcht ich durch die Wälder ziehn;
3Was die Stürme wehen,
4Was die Donner rollen
5Und die Blitze wollen,
6Was die Bäume sprechen,
7Wenn sie brechen,
8Möcht ich wie Merlin verstehen.
9Voll Gewitterlust
10Wirft im Sturme hin
11Sein Gewand Merlin,
12Daß die Lüfte kühlen,
13Blitze ihm bespülen
14Seine nackte Brust.
15Wurzelfäden streckt
16Eiche in den Grund,
17Unten saugt versteckt
18Tausendfach ihr Mund
19Leben aus geheimen Quellen,
20Die den Stamm gen Himmel schwellen.
21Flattern läßt sein Haar Merlin
22In der Sturmnacht her und hin,
23Und es sprühn die feurig falben
24Blitze, ihm das Haupt zu salben;
25Die Natur, die offenbare,
26Traulich sich mit ihm verschwisternd,
27Tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd
28Küssen seine schwarzen Haare. – –
29Das Gewitter ist vollbracht,
30Stille ward die Nacht;
31Heiter in die tiefsten Gründe
32Ist der Himmel nach dem Streite;
33Wer die Waldesruh verstünde
34Wie Merlin, der Eingeweihte!
35Frühlingsnacht! kein Lüftchen weht,
36Nicht die schwanksten Halme nicken,
37Jedes Blatt, von Mondesblicken
38Wie bezaubert, stille steht.
39Still die Götter zu beschleichen
40Und die ewigen Gesetze,
41In den Schatten hoher Eichen
42Wacht der Zaubrer, einsam sinnend,
43Zwischen ihre Zweige spinnend
44Heimliche Gedankennetze.
45Stimmen, die den andern schweigen,
46Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
47Hört Merlin vorübergleiten,
48Alles rauscht im vollen Reigen
49Denn die Königin der Elfen
50Oder eine kluge Norn
51Hält, dem Sinne nachzuhelfen,
52Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.
53Rieseln hört er, springend schäumen
54Lebensfluten in den Bäumen;
55Vögel schlummern auf den Ästen
56Nach des Tages Liebesfesten,
57Doch ihr Schlaf ist auch beglückt;
58Lauschend hört Merlin entzückt
59Unter ihrem Brustgefieder
60Träumen ihre künftgen Lieder.
61Klingend strömt des Mondes Licht
62Auf die Eich und Hagerose,
63Und im Kelch der feinsten Moose
64Tönt das ewige Gedicht.