August von Platen: An die Brüder Frizzoni in Bergamo (1831)

1Manchen Vorwurf mußt ich ertragen von euch,
2Weil so lang Pausilipos Ufer den Freund festhalten, indes
3Zwischen Alpen und Po sich ausdehnt, welche Flur!
4Weinbekränzt, voll klarer Seen, volkreich und geschmückt
5Durch der ehmals mächtigen Städte Gemeinsinn,
6Der herbeirief edle Kunst,
7Anschauliche Form zu verleihn bildloser Wahrheit schöpferisch.

8Nicht verschmäht mein festlicher Sang, in des Lobs
9Süßen Born eintauchend der Fittige weithinschattiges Paar,
10Euch lombardischer Heimatflur Preislied zu weihn.
11Als in dämmrungsgrauer Vorzeit Alboin einst
12Aus dem Nord herführte gepanzerte Heerschar,
13Sah der Fürst, der auf des Bergs
14Schneegipfel erobernden Blick ließ schweifen, solch fruchtreich Gefild
15Hocherstaunt, klomm fröhlich herab und erwarb's.
16Widerstand nicht hätte vermocht zu entziehn ihm größeres Ziel,
17Wär's das leuchtende Rom sogar; bald stört jedoch
18Seines Muts siegswerten Plan ihm häusliches Weh,
19Welches ihm Roßmunda bereitete, die ihm
20Durch Gewalt ward anvermählt,
21Unwilligen Sinns, im Gemüt ausbrütend Rachsucht grenzenlos!

22Denn es fiel ihr Vater voreinst in dem Kampf
23Durch den Beilschlag dessen, an den in des Ehbunds schnöde Gewalt
24Nun das Los sie geknüpft. Der Sieg zeugt Übermut:
25Durch die Burg scholl Jubel, laut auftobte das Fest,
26Als Pokal rings kreiste der Schädel des Feindes;
27Diesen hob Fürst Alboin
28Trotzvoll, in berauschter Betörtheit, auf und sprach: Roßmunda, trink!

29Jene trank; Stolz hemmte den Zährenerguß,
30Als sie wog schmerzvoll in der Hand des geliebt ehrwürdigen Haupts
31Teure Last, und Vergeltung schwur stillschweigend ihr
32Blick, und tief trübt ihn der Ohnmacht Jammergefühl.
33Gegen Kraft hilft List nur allein und des Goldes
34Allgewalt; Schönheit erreicht
35Durch üppige Künste so manch Wunschziel und durch Liebkosungen.
36Alboins Freund fiel in die Netze des Weibs,
37Helmiches; Schmach sinnt er dem Könige, sinnt Blutdürstigeres.
38Nacht umhüllte Veronas Burg, kampfmüder Schlaf:
39Sieh, da schlich, Mordlust im Sinn, Roßmunda gemach,
40Wo der Held ausatmete ruhigen Schlummer;
41Aber daß wehrlos er sei,
42Trägt weit von dem Lager sie weg Streitaxt und Schwert, Welschlands Ruin;

43Dann die Mordschar winkt sie heran. Es versucht
44Alboin fruchtlos mit dem Schemel den scharf eindringenden Stahl
45Abzuwehren, und bald entseelt trieft blutig sein
46Nackter Leib. Nicht fühle Neid, wer fern von des Ruhms
47Glatter Bahn aufwärts zu der Könige Thron blickt:
48Ihr Geschick ist faltenreich,
49Aufwickelnd enthüllt es Gefahr oftmals, und weissagt jähen Sturz.

50Aber Untat reiht an den Frevel sich an:
51Jenes Paar einsammelte blutiger Aussaat Erntegebühr.
52Stets umsonst um die Königin warb Helmiches:
53Andres Ehbunds lüstern, den darbot der Exarch,
54Der der Herrschaft pflog in dem alten Ravenna,
55Haßt des Mords Mithelfer sie,
56Wirft ihm in des schäumigen Weins Kelchglas ein markaufzehrend Gift.

57Als jedoch halb kaum er getrunken, erkennt
58Helmiches wutvoll den Verrat; er entblößt zweischneidigen Dolch,
59Drohend, bis sie des Bechers Rest selbst ausgeschlürft. –
60Voll von Unheil, groß jedoch tönt sonstiger Zeit
61Sage, gern flicht seinem Gesang sie der Dichter
62Ein, und führt klangreich vorbei
63Prachtströmige Wogen des Lieds, urdeutscher Vorwelt gern gedenk.

64Doch er weilt stets lieber im Rosengebüsch,
65Das der leisauftretende Friede gewölbt dicht über den Quell,
66Wo Genuß in dem Schoß der Freundschaft selig ruht:
67Mög um euch sanft schimmern leichthinwallenden Tags
68Mildes Licht! Nie möge der Krieg und die Seuche,
69Deren Wut jetzt füllt die Welt,
70Einziehn in die Täler, in die harmlos herabschaut Bergamo!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

August von Platen-Hallermünde (1796-1835)

* 10/24/1796 in Ansbach, † 12/05/1835 in Syrakus

männlich, geb. von Platen-Hallermund

- Cholera

deutscher Dichter

(Aus: Wikidata.org)

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