1»der Fremdling war's im grünen Mantel, ums Lockenhaupt den Veilchenkranz,
2Er hat betört die Königstochter, die er geführt im Maientanz.
3Er kam, man weiß es nicht, von wannen, er schied und niemand weiß, wohin.
4Du bist betrogen, schön Haralda, und Schmach und Tod ist dein Gewinn.«
5So klagt das Volk; doch König Olaf, der finstre, klagt und drohet nicht.
6Ein Grab läßt er im Walde graben, durch Eis und Schnee der Spaten bricht.
7Im Frühmärz ist's: kahl stehn die Bäume, kein Vogelruf, Eis deckt den Quell,
8Rings alles starr: nur hoch am Himmel zieht's hin wie Frühlingswolken hell.
9Und schweigend führt vor allem Volke sein Kind er an den dunkeln Schlund:
10»lebendig sei mit deiner Schande verschlungen von der Erde Grund,
11Sagst du mir nicht des Frevlers Namen und wo ihn trifft mein Strafgericht.«
12Doch sie schlug auf die schönen Augen und sprach in Ruh': »Ich weiß es nicht!
13Ich weiß nur, daß er ist mein Gatte und daß er wiederkehret mir:
14Er schlang von gelben Schlüsselblumen den Reif um meine Rechte hier,
15Und sprach: »Auf Monde bannt das Schicksal mich fern von dir, geliebte Frau,
16Doch wann die Schlüsselblumen wieder, die gelben, sprießen auf der Au,
17Dann kehr' ich dir zurück so sicher, als Sonn' und Mond am Himmel gehn.«
18Schon hab' ich heut' aus Schnee und Eise das erste Veilchen lauschen sehn,
19Nun kommt er bald!« – »Du willst noch höhnen?« ruft da der König zornesbleich,
20»hinab mit dir!« – Schon setzt die Holde den weißen Fuß ins Totenreich: –
21Da plötzlich rauscht es in den Lüften, es blitzt, es donnert, braust und weht,
22Ein warmer Hauch wie Veilchendüfte berauschend durch die Wipfel geht,
23Hie Sonnenschein, dort Regenbogen, ein Schwalbenflug, er zwitschert hell,
24Der Rasen grünt, die Büsche knospen und aus dem Eise bricht der Quell.
25Die Erde bebt und aus dem Grabe, umstrahlt von lichtem Götterglanz,
26Der Fremdling steigt in grünem Mantel und auf dem Haupt den Veilchenkranz.
27»gott Baldur!« rufen Volk und König und sinken bebend in die Knie,
28Er aber faßt die Hand Haraldas und zu den Sternen schweben sie.