William Shakespeare: William Shakespeare (1590)

1Wenn Liebchen spricht, daß nie ihr Herz erkalte,
2So glaub' ich ihr, wenn sie es schon erfand;
3Damit sie mich für einen Neuling halte,
4Mit Listen dieser Welt noch unbekannt.
5So, irrig wähnend, daß sie jung mich wähne,
6Wiewohl sie weiß, mein Frühling ist dahin,
7Leugn' ich's ihr nicht in ihre falschen Zähne,
8Und beiderseits verbirgt sich wahrer Sinn.
9Doch warum sagt sie nicht, daß sie nicht treu?
10Warum nicht ich, daß einst ich jung gewesen?
11O, Amors Lieblingslust ist Heuchelei,
12Und Lieb' in Jahren mag nicht Jahreszahlen lesen.
13Darum belüg' ich sie, belügt sie mich,
14Und unsre Lügensünden schmeicheln sich.

15Zwei Flammen hab' ich, die im Doppelbann,
16Wie Geister, zwischen Trost und Qual mich lassen darben:
17Der bess're Engel ist ein schöner Mann,
18Der schlimmere Geist ein Weib von bösen Farben.
19Mein weiblich Unheil, bald dem Pfuhl mich zu gesellen,
20Lockt meinen guten Engel von mir fort:
21Zum Teufel möchte sie den Heiligen entstellen;
22Dem Reinen kost ihr falsches Schmeichelwort.
23Und, ob mein Engel nun schon eingefeindet,
24Besorg' ich; – zwar nicht völlig ist's bekannt; –
25Doch, da mich beide fliehn, und beide sich befreundet,
26Fürcht' ich, ein Engel ward des andern Höllenbrand.
27Und wie es steh', ich kann es nicht vermuten,
28Als bis mein böser Geist verschlingt den guten.

29Hat deiner Augen Himmelsredemacht,
30Die keine Welt bestreiten wird mit Gründen,
31Mein Herz zu diesem Meineid nicht gebracht?
32Um dich gebrochne Schwüre sind nicht Sünden.
33Ein Weib verschwur ich; aber daß ich nicht
34Dich
35Mein Eid war irdisch, du ein himmlisch Licht.
36Von aller Schuld befreit mich dein Erhören.
37Mein Eid war Hauch; Hauch ist ein Dunst: so saugest
38Du schöne Sonne meiner Erdenbahn
39Dies dunstige Gelübd' in dich, verhauchest,
40Zerreißest es; ich hab' nicht Teil daran.
41Und hätt ich's auch gebrochen, welcher Tor
42Zög einen Schwur dem Paradiese vor?

43An einem Bache saß die reizende Cythere,
44Von ihrem jungen Freund Adonis hoch entzückt.
45Mit manchem süßen Blick liebäugelt ihm die Hehre,
46Mit Blicken wie nur sie, der Schönheit Fürstin, blickt.
47Dem Ohr zur Lust erzählt sie Märlein ihm,
48Zeigt Liebliches, die Augen zu versuchen;
49Berührt ihn hie und da, sein Herz an sich zu ziehn:
50So schmeichelndes Getast wird oft das Grab der Tugend. –
51Doch, ob den frühen Jahren Sinn gebricht,
52Ob er verschmähet ihr verblümtes Deuten,
53Der junge Gründling schluckt den Hamen nicht,
54Und lacht und spottet aller Artigkeiten.
55Da fiel die gnäd'ge Göttin rücklings hin:
56Und er sprang auf und lief. – O Eigensinn!

57Lehrt Liebe Meineid mich, wie soll ich Liebe schwören?
58O Schönheit, sie allein hält Liebestreu im Flor!
59Wie auch mir selber falsch, treu will ich dir gehören.
60Dies Wort, mir eichenfest, scheint dir ein schwankes Rohr.
61Betrachtung läßt ihr Buch und forscht in deinen Augen,
62Wo alle Wonne lebt, die nur die Kunst erschleußt.
63Ist Kenntnis Ziel, du kannst statt aller Kenntnis taugen:
64Am weisesten der Mund, der dich am besten preist.
65Wer ungerührt dich säh, die roh'ste Seele hätt' er.
66Daß du ein Wunder mir, kommt meinem Ruf zu gut.
67Dein Aug' ist Jovis Blitz, dein Laut sein drohend Wetter;
68Doch, ohne Zorn, Musik und sanfte Lebensglut.
69O, himmlisch wie du bist, verleugne dich nicht so,
70Und singe Himmels Lob so irdisch rauh und roh.

71Kaum war der Tau vom Frühlicht aufgetrunken,
72Kaum ruht die Herd' umzäunt im Schattendach,
73Als Cypria, in Liebe ganz versunken,
74Voll Sehnsucht des Adonis harrt' am Bach,
75Bei einem Weidenbaum. Adonis war
76Im Bach gewohnt sein Feuer abzukühlen.
77Heiß schien die Sonne, heißer noch fürwahr
78Die seiner harrt'; oft pflegt' er dort zu spielen.
79Und sieh! er kommt, und wirft den Mantel ab,
80Steht mutternackt auf grünem Wiesenplan.
81Mit Herrscheraugen blickt die Sonn' herab;
82Noch brünstiger blickt ihn die Göttin an.
83Kaum sah er sie, sprang er hinab. Sie sprach:
84»o Jupiter! O wär' ich doch der Bach!«

85Mein Lieb ist schön, doch nicht so schön als schnöde:
86Wie Tauben sanft, doch schlangenglatt und frostig;
87Heller als Glas, und doch wie Glas so spröde,
88Weicher als Wachs, und doch wie Eisen rostig:
89Ein wenig bleich, mit etwas Rosenröte,
90So schön wie keine, und so falsch wie jede.

91Wie hat sie mich mit Lippen schier verschlungen,
92Auf jeden Kuß ein Heer von Liebesschwüren.
93Wie hat sie mich mit Märchen eingesungen,
94Als bräch' ihr Herz, das meine zu verlieren!
95Und doch, im Schwung der höchsten Seelenflüge
96Ward Eid und Treu und Trän' und alles Lüge.

97Sie brannt' in Liebe wie das Stroh in Flammen,
98Verbrannt' in Liebe schnell wie Stroh verbrennet,
99Erbaute Lieb', und riß sie wild zusammen;
100Schwur ew'ge Lieb', und hat sie rasch zertrennet.
101Soll sie als Buhl', als Liebchen mir gefallen,
102Zu schlecht zum guten, und gering in allem?

103Der Morgen lächelte: die schöne Venus war
104– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
105Vor Kummer bleicher als ihr schneeweiß Taubenpaar,
106Des wilden Springinsfeld Adonis wegen.
107Sie tritt auf einen jähen Holm. Geschwind
108Sieht sie den Knaben nahn mit Horn und Hunde.
109Die Gute warnt ihn, mehr als wohlgesinnt:
110»o weiche nicht von diesem sichern Grunde.
111Wohl eher sah ich schon so holden Kleinen
112Von einem Eber schwer verletzt im Tal,
113Tief in der Hüft', ein Anblick war's zum Weinen;
114Sieh meine Hüfte, sieh, hier war das Mal.«
115Sie zeigt es ihm, und er wird rot und flieht,
116Weil er mehr Wunden dort als eine sieht.

117Lieb Röslein, vor der Zeit gepflückt, zu bald erblichen,
118Gepflückt als zarte Knosp', im Lenz erblichen; ach,
119Des Ostens Perle du, vom Moder früh beschlichen,
120O Kleinod, das so schnell des Todes Stachel stach,
121Wie grüne Pflaumen, die in Windes Wallen
122Eh' sie der Herbst gereift, vom Baume fallen.

123Ich wein' um dich, der doch nicht Anlaß hat:
124Warum? Im Testament hast du mich übergangen;
125Und mir doch mehr vermacht, als je ich von dir bat:
126Warum? Nie hab' ich dich um etwas angegangen.
127Und doch, verzeih mein Herz! ich muß mich fassen:
128Dein Mißvergnügen hast du mir verlassen.

129Saures Alter, frohe Jugend
130Können nicht zusammen dauern:
131Jugend ist voll muntrer Launen,
132Alter voller Sorg' und Qual.
133Jugend wie ein Sommermorgen,
134Alter gleicht den Winterschauern.
135Jugend pranget wie der Sommer,
136Alter winterdürr und kahl.
137Wenn der Jugend Scherze frommen,
138Alters Odem bleibt beklommen.
139Jugend eilet, Alter schleicht.
140Jugend feurig, kühn, verwegen,
141Alter lahm, will nur sich pflegen;
142Jugend schäumet, Alter keucht.
143Jugend, Jugend, dich umfang' ich:
144Alter, Alter, vor dir bang' ich.
145O mein Lieb, mein Lieb ist jung.
146Alter schlag' ich in die Winde:
147Süßer Schäfer, komm geschwinde!
148Eilest lang mir nicht genung.

149Schönheit, o eitles Glück, wie bald verloren!
150Du bist ein bunter Schmelz, der schnell verfliegt,
151Ein Blümlein früh dahin, so wie geboren,
152Ein mürbes Glas, das in der Hand zerbricht.
153Schmelze, Blume, Glas, hinfällig eitles Glück,
154Verwelkt, verschwunden, tot im Augenblick.

155Und wie verlornes Glück sich selten findet,
156Verflognen Schmelz kein Reiben wiederbringt,
157Verwelkte Blume tot zur Erde schwindet,
158Zerbrochnes Glas kein Kitt zusammenzwingt:
159So kann befleckte Schönheit nichts erneuen,
160Nicht Mühen, Sorgen, Schminken, Arzeneien.

161»gut' Nacht! Ruh' sanft!« – Ach, beides mir verleidet!
162Sie beut mir gute Nacht, die meine Ruh verscheucht
163Und in mein Bett mich treibt mit Qualen überbreitet,
164Wo meines Unglücks Zweifel mich beschleicht.
165»leb' wohl«, sprach sie, »gut' Nacht! Wir sehn uns morgen.« –
166Wohlleben konnt' ich nicht; ich aß zu Nacht mit Sorgen.

167Doch als wir schieden, lächelt' sie so süß:
168War's Freundschaft oder Hohn? Ich mag's nicht deuten:
169Vielleicht vor Freuden, daß sie mich verstieß?
170Vielleicht mich Irren wieder hin zu leiten?
171Irr! Auf uns luft'ge Schemen paßt das Wort;
172Wir müh'n uns viel, und heben nie den Hort.

173Wie starrt' ich unverwandt nach Osten hin!
174Mein Herz zürnt mit der Uhr; das frühe Licht
175Erweckt aus trägem Schlummer jeden Sinn:
176Der eignen Augen Zeugnis glaub' ich nicht;
177Ich sitze lauschend, horch' auf Philomelen,
178Und wollt', es wär ein Lied aus Lerchenkehlen:

179Denn
180Und zwingt die lichtlos bange Nacht zur Flucht;
181Und, flieht die Nacht, eil' ich zu meiner Trauten;
182Dort findet Herz und Auge, was es sucht.
183Sorg' ist in Lust verwandelt, Lust hegt Sorgen,
184Denn seufzend sagte sie zu mir: »Komm morgen!«

185Wär' ich mit ihr, zu schnell wär' Nacht entflohn;
186Nun aber reih'n Minuten sich an Stunden:
187Minuten werden Monden mir zum Hohn.
188Nicht mir, o Tag! den Blumen scheine drunten.
189Flieh, Nacht! Komm, lieber Tag! Laß Nacht uns borgen;
190Und, Nacht, sei kurz, erhole dich am Morgen.

191Liebe (ach wer steht ihr bei!
192Immer frisch und jung im Mai)
193Sah umbuhlt von Zephyrs Wehen
194Wunderschönes Blümlein stehen.
195Durch die samtnen Blätter schien
196Unsichtbar der Wind zu ziehn,
197Daß sich totkrank der Verliebte
198Nicht wie Luft zu sein betrübte,
199»luft«, sprach er, »wie darfst du schlürfen!
200Möcht' ich, Luft, so jubeln dürfen!
201Aber ach, dich nie zu brechen
202Gab die Hand dir das Versprechen!
203Jugendschwur, wie ich dich büße!
204Jugend pflückt so gern das Süße.
205Nenn' es Sünde nicht in mir,
206Brech' ich mein Gelübde dir.
207Schwür' doch Zeus, in dich verloren,
208Seine Juno glich den Mohren;
209Möchte Zeus nicht länger, nein,
210Dir zuliebe sterblich sein.«

211Wenn du die Schöne willst erreichen,
212Das Wild, das schußrecht vor dir sitzt,
213Dann schütze dich Vernunft vor Streichen,
214So gut sie blinde Liebe schützt.
215Ein kluger Rat, er wär' dir nötig;
216Doch sei er nicht zu jung, noch ledig.

217Und bringst du nun dein Sprüchlein an,
218Laß glatter Zungen Wortgeflinker:
219Sonst merkt sie Trug, du hast vertan;
220Der Lahme wittert leicht den Hinker.
221Sprich nur: Dich lieb' ich, treu und schlicht,
222Und setz' ihr Schönes hell ins Licht.

223Und schmollt sie gleich und senkt den Blick,
224Vor Abend noch gibt sich dies Toben:
225Dann wünscht sie dich zu spät zurück,
226Bereut, daß sie ihr Glück verschoben;
227Zweimal verlangt sie, eh' es tagt,
228Nach dem, was sie mit Hohn versagt.

229Laß sie nur ringen, keifen, zanken,
230Sich mit dir messen, schelten, schmähn;
231Die schwache Kraft wird endlich wanken,
232Sie wird gewitzigt eingestehn:
233Wär' Weib so stark als Mann geboren,
234Du hättest, meiner Treu, verloren!

235Und ihren Wünschen allerweise
236Mit vollen Händen komm zuvor:
237Daß dein Verdienst sich hell erweise,
238Laß aufgehn, klingl' ihr um das Ohr.
239Die stärkste Festung, Turm und Mau'r
240Ergibt sich goldnem Regenschau'r.

241Sei immerdar ihr treuer Knecht,
242Dein Werben ehrlich und bescheiden:
243So lang sie dir nicht ungerecht,
244Laß dich zum Wechsel nicht verleiten.
245Verdrieße dich kein gutes Wort,
246Und stieße sie dich zehnmal fort.

247Wie Frauenlist sich ränkevoll
248Mit falschem Außenschein umzieht,
249All' ihre Schlich' und Launen soll
250Der Hahn nicht wissen, der sie tritt.
251Hat man dir nicht schon oft bericht':
252Ein Weiber-Nein hat leicht Gewicht?

253Bedenk, mit Männern ficht kein Weib
254Um Märtyrtum, es ficht um Sünden.
255Wenn Zeit und Alter sie bestäubt,
256Beim Kreuz! dann liegt ihr Himmel hinten.
257Gäb's nichts als Küss' im Bett, fürwahr,
258Weib ging mit Weib zum Traualtar.

259Doch still! genug, und schon zuviel,
260Daß mich mein Mädchen nicht vernimmt,
261In's Ohr mir raunt: »Nun schweige still!«
262Und meine Zunge zahmer stimmt. –
263Doch wird sie rot, (traut meinem Lied),
264Wenn sie sich so verraten sieht.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

William Shakespeare (1564-1616)

* 04/26/1564 in Stratford-upon-Avon, † 05/03/1616 in Stratford-upon-Avon

männlich, geb. Shakespeare

englischer Dichter, Theaterunternehmer und Schauspieler, dessen Dramen zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur gehören

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