1Schön ist's, von des Thränenberges Höhen
2Gott auf seiner Erde wandeln sehen,
3Wo sein Odem die Geschöpfe küßt.
4Auen sehen, drauf Natur, die treue,
5Eingekleidet in des Himmels Bläue,
6Schreitet, und wo Milch und Honig fließt!
7Schön ist's, in des Thränenberges Lüften
8Bäume sehn, in silberweißen Düften,
9Die der Käfer wonnesummend trinkt;
10Und die Straße sehn im weiten Lande,
11Menschenwimmelnd, wie vom Silbersande
12Sie, der Milchstraß' gleich am Himmel, blinkt.
13Und der Neckar blau vorüberziehend,
14In dem Gold der Abendsonne glühend,
15Ist dem Späherblicke Himmelslust;
16Und den Wein, des siechen Wandrers Leben,
17Wachsen sehn an mütterlichen Reben,
18Ist Entzücken für des Dichters Brust.
19Aber, armer Mann, du bist gefangen;
20Kannst du trunken an der Schönheit hangen?
21Nichts auf dieser schönen Welt ist dein!
22Alles, alles ist in tiefer Trauer
23Auf der weiten Erde; denn die Mauer
24Meiner Veste schließt mich Armen ein!
25Doch herab von meinem Thränenberge
26Seh' ich dort den Moderplatz der Särge;
27Hinter einer Kirche streckt er sich
28Grüner als die andern Plätze alle:
29Ach! herab von meinem hohen Walle
30Seh' ich keinen schönern Platz für mich!