1Im Föhrenwald. Fast lautlos. Zeitvergessen.
2Was leis in Wipfeln saust, singt Ewigkeit.
3Sanftkühles Moos. Des Lebens Lasten pressen
4Mir nicht die Brust, ich bin von Qual befreit.
5Ach, Höhn und Tiefen hab auch ich durchmessen,
6Weiß, wie der Mensch in wildem Schmerze schreit,
7Wie rasch er jauchzt im Taumel der Sekunde,
8Wie stolz er hinstelzt, wie er geht zugrunde.
9Geheuchelt hab ich auch in Wort und Mienen –
10Wie oft, daß mir der Mut zersplittert war
11Und bin doch lächelnden Gesichts erschienen
12Und stach dem andern Heuchler noch den Star.
13Ich wollte mir den Preis der Welt verdienen
14Mit Kraftgeflunker wie ein Janitschar:
15Des Herzens Schwachheit hab ich überpinselt,
16Stramm dreingeschaut und innerlich gewinselt ...
17Ihr zierlichen, ihr goldbetupften Käfer,
18Wie lauft ihr grünlichschillernd durchs Gewirr
19Der weichen Mooseshärchen! Minneschäfer
20Seid ihr und lockt mit lispelndem Gekirr,
21Das gar nicht hört so'n Mammutmenschenschläfer,
22Ins Lustgarn euch: ihr lauscht nicht dem Geschwirr,
23Dem seltsam wipfelwandernden, der Kronen,
24In denen ewige Rätselweisen wohnen.
25Ihr seid in eurem süßen Trieb befangen
26Und klammert euch gar ernsthaft an das Glück,
27Das im Moment euch wonnig aufgegangen,
28Ihr seid berauscht und könnt nicht mehr zurück.
29Ein Käferlein bleibt an dem andern hangen,
30Natur spielt aus den alten Schöpfertrick –
31Den Knalleffekt, kurz wie Gewitterschauer,
32Die Spinne Willewelt liegt auf der Lauer.
33Ist's anders denn mit uns vermummten Tieren,
34Die nur durch höchst vollkommne Brillen schaun?
35Wir können raffinierter räsonieren,
36Traktieren kritisch Denken und Verdaun,
37Wir sind zum Platzen reif im Selbstsezieren,
38Begierig, über jede Schnur zu haun
39Und uns vertrackte Triebobjektsgesellen
40Vor Selbstbeguckung auf den Kopf zu stellen.
41Das Menschenhirn schlägt Riesenpurzelbäume
42(zwar das aus Feuer nur, nicht das aus Stroh),
43Schwingt sich durch seine eignen Weltenräume
44Und ist des Nebelflecks im Auge froh.
45Nach innen regt zum Tanz der Zukunftsträume
46Sich schon der Übermenschenembryo –
47Nur wenn die irdischen Fühler uns erkranken,
48Verzichten wir auf Weltherrschaftsgedanken.
49Die Atmosphäre will robuste Beine,
50Sie ist ein unverschämter Geisttyrann,
51Erst läßt sie jubeln: »Freiheit, die ich meine!«
52Ein Fingerdruck – die Freiheit liegt im Bann.
53Zum Hirne spricht sie: »Du bist nicht alleine
54Der Herr im Haus, es sitzt ein Rumpf daran,
55Verständige dich – Gedanken können fliehen! –
56Gefälligst mit den gröberen Partien!«
57Grausamer Witz! Auf ewig Kot und Äther?
58Du trägst den Kopf hoch? Naseweiser Wicht!
59Du Großhirnriese! Geistesheldentäter!
60Der Lump von Leib geht mit dir ins Gericht.
61Der hinterlistige Gauch wird zum Verräter
62Und speit dir Schleim ins Götterangesicht ...
63Sei Übermensch! Gebare dich allmächtig!
64Da juckt der Wurm – der Witz wird niederträchtig.
65Ah, ich war auch ein rechter Stelzengänger!
66Mit Illusionen päppeln wir uns groß.
67Wir ragen zu den Wolken etwas länger
68Und sagen keck uns von der Erde los.
69Was sind wir für gefangne Bauernfänger!
70Ein schlauer Zwerg versetzt uns einen Stoß,
71Ein Zweifelmännchen mit Mephistofaxen,
72Wie 'n Pilz dort aus gemeinem Grund gewachsen.
73Und sieben Meilen lang liegt auf der Nase
74Der radikale Siebenmeilendrang ...
75Zu stehn probiert behutsam die Ekstase,
76Den Allerwertsten reibt der Überschwang.
77Der Hutzelwicht gibt von sich böse Gase
78Und macht mit giftigem Gesicht uns bang,
79Bis wir entschieden ihn ins Auge fassen,
80Uns auch vom Erdgeist nicht verblüffen lassen.
81Doch wer da aufstand, darf von Glück noch sagen,
82Wenn Bein und Rückgrat nicht gebrochen sind.
83Sein Dasein kröche hin in müden Klagen,
84Von weher Schwermut säng' ihm Wald und Wind.
85Die Tragikomik könnt' er nicht ertragen
86Und müßte weinen wie ein altes Kind,
87Sein Antlitz vor den klugen Leuten bergen
88Und trauern mit Schneewittchens Unschuldszwergen ...
89Du lieg im Moos und trinke Tannenlüfte!
90Aus Mutter Erde sauge neue Kraft!
91Gespenster, hütet weiter eure Grüfte!
92Ich fühl's, ich fühl's, noch atm' ich unerschlafft.
93Die Welt hat Firnen und die Welt hat Klüfte,
94In Höhn und Tiefen rinnt der Lebenssaft,
95Durch Schlünde dunkel, um die Gipfel helle,
96Schlürf beide Sorten, durstiger Geselle!