1Lange tot und tiefverschlossen,
2Grüßt mein Herz die schöne Welt,
3Seine Zweige blühn und sprossen,
4Neu von Lebenskraft geschwellt;
5O! ich kehre noch ins Leben,
6Wie heraus in Luft und Licht
7Meiner Blumen selig Streben
8Aus der dürren Hülse bricht.
9Die ihr meine Klage kanntet,
10Die ihr liebezürnend oft
11Meines Sinnes Fehle nanntet
12Und geduldet und gehofft,
13Eure Not ist aus, ihr Lieben!
14Und das Dornenbett ist leer,
15Und ihr kennt den immertrüben
16Kranken Weinenden nicht mehr.
17Wie so anders ists geworden!
18Alles was ich haßt und mied,
19Stimmt in freundlichen Akkorden
20Nun in meines Lebens Lied,
21Und mit jedem Stundenschlage
22Werd ich wunderbar gemahnt
23An der Kindheit goldne Tage,
24Seit ich dieses Eine fand.
25Diotima! selig Wesen!
26Herrliche, durch die mein Geist,
27Von des Lebens Angst genesen,
28Götterjugend sich verheißt!
29Unser Himmel wird bestehen,
30Unergründlich sich verwandt
31Hat, noch eh wir uns gesehen,
32Unser Wesen sich gekannt.
33Da ich noch in Kinderträumen,
34Friedlich wie der blaue Tag,
35Unter meines Gartens Bäumen
36Auf der warmen Erde lag,
37Da mein erst Gefühl sich regte,
38Da zum erstenmale sich
39Göttliches in mir bewegte,
40Säuselte dein Geist um mich.
41Ach und da mein schöner Friede,
42Wie ein Saitenspiel, zerriß,
43Da von Haß und Liebe müde
44Mich mein guter Geist verließ,
45Kamst du, wie vom Himmel nieder
46Und es gab mein einzig Glück,
47Meines Sinnes Wohllaut wieder
48Mir ein Traum von dir zurück.
49Da ich flehend mich vergebens
50An der Wesen kleinstes hing,
51Durch den Sonnenschein des Lebens
52Einsam, wie ein Blinder, ging,
53Oft vor treuem Angesichte
54Stand und keine Deutung fand,
55Darbend vor des Himmels Lichte,
56Vor der Mutter Erde stand,
57Lieblich Bild, mit deinem Strahle
58Drangst du da in meine Nacht!
59Neu an meinem Ideale,
60Neu und stark war ich erwacht;
61Dich zu finden, warf ich wieder,
62Warf ich meinen trägen Kahn
63Von dem toten Porte nieder
64In den blauen Ozean. –
65Nun, ich habe dich gefunden!
66Schöner, als ich ahndend sah
67In der Liebe Feierstunden,
68Hohe Gute! bist du da;
69O der armen Phantasien!
70Dieses Eine bildest nur
71Du, in deinen Harmonien
72Frohvollendete Natur!
73Wie auf schwanker Halme Bogen
74Sich die trunkne Biene wiegt,
75Hin und wieder angezogen,
76Taumelnd hin und wieder fliegt,
77Wankt und weilt vor diesem Bilde
78. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80Hab, ins tiefste Herz getroffen,
81Oft um Schonung sie gefleht,
82Wenn so klar und heilig offen
83Mir ihr eigner Himmel steht,
84Wenn die Schlacken, die mich kümmern,
85Dieses Engelsauge sieht,
86Wenn vor meines Friedens Trümmern
87Dieser Unschuld Blume blüht;
88Habe, wenn in reicher Stille,
89Wenn in einem Blick und Laut
90Seine Ruhe, seine Fülle
91Mir ihr Genius vertraut,
92Wenn ihr Geist, der mich begeistert,
93An der hohen Stirne tagt,
94Von Bewundrung übermeistert,
95Zürnend ihr mein Nichts geklagt.
96Aber, wie, in zarten Zweigen,
97Liebend oft von mir belauscht,
98Traulich durch der Haine Schweigen
99Mir ein Gott vorüberrauscht,
100So umfängt ihr himmlisch Wesen
101Auch im Kinderspiele mich,
102Und in süßem Zauber lösen
103Freudig meine Bande sich.