Friedrich Hölderlin: Wie wenn am Feiertage (1799)

1Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn,
2Ein Landmann geht, des Morgens, wenn
3Aus heißer Nacht die kühlenden Blitze fielen
4Die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner,
5In sein Gestade wieder tritt der Strom,
6Und frisch der Boden grünt
7Und von des Himmels erfreuendem Regen
8Der Weinstock trauft und glänzend
9In stiller Sonne stehn die Bäume des Haines:

10So stehn sie unter günstiger Witterung,
11Sie, die kein Meister allein, die wunderbar
12Allgegenwärtig erzieht in leichtem Umfangen
13Die mächtige, die göttlichschöne Natur.
14Drum wenn zu schlafen sie scheint zu Zeiten des Jahrs
15Am Himmel oder unter den Pflanzen oder den Völkern,
16So trauert der Dichter Angesicht auch,
17Sie scheinen allein zu sein, doch ahnen sie immer.
18Denn ahnend ruhet sie selbst auch.

19Jetzt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen,
20Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.
21Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
22Und über die Götter des Abends und Orients ist,
23Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,
24Und hoch vom Aether bis zum Abgrund nieder
25Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,
26Fühlt neu die Begeisterung sich,
27Die Allerschaffende, wieder.

28Und wie im Aug ein Feuer dem Manne glänzt,
29Wenn hohes er entwarf, so ist
30Von neuem an den Zeichen, den Taten der Welt jetzt
31Ein Feuer angezündet in Seelen der Dichter.
32Und was zuvor geschah, doch kaum gefühlt,
33Ist offenbar erst jetzt,
34Und die uns lächelnd den Acker gebauet,
35In Knechtsgestalt, sie sind erkannt,
36Die Allebendigen, die Kräfte der Götter.

37Erfrägst du sie? im Liede wehet ihr Geist,
38Wenn es der Sonne des Tags und warmer Erd
39Entwächst, und Wettern, die in der Luft, und andern,
40Die vorbereiteter in Tiefen der Zeit,
41Und deutungsvoller, und vernehmlicher uns
42Hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern.
43Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind,
44Still endend, in der Seele des Dichters,

45Daß schnellbetroffen sie, Unendlichem
46Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung
47Erbebt, und ihr, von heilgem Strahl entzündet,
48Die Frucht in Liebe geboren, der Götter und Menschen Werk,
49Der Gesang, damit er beiden zeuge, glückt.
50So fiel, wie Dichter sagen, da sie sichtbar
51Den Gott zu sehen begehrte, sein Blitz auf Semeles Haus
52Und die göttlichgetroffne gebar,
53Die Frucht des Gewitters, den heiligen Bacchus.

54Und daher trinken himmlisches Feuer jetzt
55Die Erdensöhne ohne Gefahr.
56Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
57Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,
58Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand
59Zu fassen und dem Volk ins Lied
60Gehüllt die himmlische Gabe zu reichen.
61Denn sind nur reinen Herzens,
62Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,

63Des Vaters Strahl, der reine, versengt es nicht
64Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren
65Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen
66Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.
67Doch weh mir! wenn von

68Weh mir!

69Und sag ich gleich,

70Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen,
71Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden,
72Den falschen Priester, ins Dunkel, daß ich
73Das warnende Lied den Gelehrigen singe.
74Dort

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

* 03/20/1770 in Lauffen am Neckar, † 06/07/1843 in Tübingen

männlich, geb. Q114498136

deutscher Lyriker (1770-1843)

(Aus: Wikidata.org)

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