Johann Gottfried Herder: 15. Das Mädchen am Ufer (1773)

1Die See war wild im Heulen
2Der Sturm, er stöhnt mit Müh,
3Da saß das Mädchen weinend,
4Am harten Fels saß sie,
5Weit über Meeres Brüllen
6Warf Seufzer sie und Blick;
7Nicht konnts ihr Seufzer stillen,
8Der matt ihr kam zurück.

9»ein Jahr nun hin und drüber!
10Ein Jahr voll bitterm Weh!
11O warum gingst du, Lieber,
12Und trautest dich der See?
13Hör auf, hör auf zu toben,
14O Sturm, und gönn' ihm Ruh!
15Hier in der Brust das Toben,
16Ach! wütet mehr als du.

17Der Kaufmann Schäzegierig,
18Verzweifelnd flucht er dir;
19Was ist Verlieren Schäze,
20Zu dem, was ich verlier'?
21Und würfst du ihn auf Küsten
22Von Gold und Demant schwer;
23Ein' Reich're kann er finden,
24Ein' Treu're nimmermehr.»

25So seufzend, weinend lag sie,
26Erharrend ihn zu sehn.
27In jeden Sturm floß Seufzen,
28In jede Wog' eine Thrän';
29Als schnell auf weissen Wellen
30Ein blasser Leichnam schwamm,
31Todt sank auf ihn das Mädchen,
32Es war – ihr Bräutigam.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:

Johann Gottfried Herder (1744-1803)

* 08/25/1744 in Mohrungen, † 12/18/1803 in Weimar

männlich, geb. Herder

deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Theologe und Philosoph

(Aus: Wikidata.org)

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