1Tiefab im Tobel liegt ein Haus,
2Zerfallen nach des Försters Tode,
3Dort ruh' ich manche Stunde aus,
4Vergraben unter Rank' und Lode;
5's ist eine Wildniß, wo der Tag
6Nur halb die schweren Wimpern lichtet;
7Der Felsen tiefe Kluft verdichtet
8Ergrauter Aeste Schattenhaag.
9Ich horche träumend, wie im Spalt
10Die schwarzen Fliegen taumelnd summen,
11Wie Seufzer streifen durch den Wald,
12Am Strauche irre Käfer brummen;
13Wenn sich die Abendröthe drängt
14An sickernden Geschiefers Lauge,
15Dann ist's als ob ein trübes Auge,
16Ein rothgeweintes drüber hängt.
17Wo an zerrißner Laube Joch
18Die langen magern Schoßen streichen,
19An wildverwachs'ner Hecke noch
20Im Moose Nelkensprossen schleichen,
21Dort hat vom tröpfelnden Gestein
22Das dunkle Naß sich durchgesogen,
23Kreucht um den Buchs in trägen Bogen,
24Und sinkt am Fenchelstrauche ein.
25Das Dach, von Moose überschwellt,
26Läßt wirre Schober niederragen,
27Und eine Spinne hat ihr Zelt
28Im Fensterloche aufgeschlagen;
29Da hängt, ein Blatt von zartem Flor,
30Der schillernden Libelle Flügel,
31Und ihres Panzers goldner Spiegel
32Ragt kopflos am Gesims hervor.
33Zuweilen hat ein Schmetterling
34Sich gaukelnd in der Schlucht gefangen,
35Und bleibt sekundenlang am Ring
36Der kränkelnden Narzisse hangen;
37Streicht eine Taube durch den Hain,
38So schweigt am Tobelrand ihr Girren,
39Man höret nur die Flügel schwirren
40Und sieht den Schatten am Gestein.
41Und auf dem Heerde, wo der Schnee
42Seit Jahren durch den Schlot geflogen,
43Liegt Aschenmoder feucht und zäh,
44Von Pilzes Glocken überzogen;
45Noch hängt am Mauerpflock ein Rest
46Verwirrten Wergs, das Seil zu spinnen,
47Wie halbvermorschtes Haar und drinnen
48Der Schwalbe überjährig Nest.
49Und von des Balkens Haken nikt
50Ein Schellenband an Schnall' und Riemen,
51Mit grober Wolle ist gestickt
52„diana“ auf dem Lederstriemen;
53Ein Pfeifchen auch vergaß man hier,
54Als man den Tannensarg geschlossen;
55Den Mann begrub man, todt geschossen
56Hat man das alte treue Thier.
57Sitz ich so einsam am Gesträuch
58Und hör' die Maus im Laube schrillen,
59Das Eichhorn blafft von Zweig zu Zweig,
60Am Sumpfe läuten Unk' und Grillen —
61Wie Schauer überläufts mich dann,
62Als hör' ich klingeln noch die Schellen,
63Im Walde die Diana bellen
64Und pfeifen noch den todten Mann.