Theodor Storm: Sturmnacht (1852)

1Ueber Urgroßmutters Tisch und Bänke,
2Ueber die alten Schatullen und Schränke
3Wandelt der zitternde Mondenstrahl.
4Vom Wald kommt der Wind,
5Und fährt an die Scheiben;
6Und geschwind, geschwind
7Schwatzt er ein Wort,
8Und dann wieder fort
9Zum Wald über Föhren und Eiben.
10Da wird auch das alte verzauberte Holz
11Da drinnen lebendig;
12Wie sonst im Walde will es stolz
13Die Kronen schütteln unbändig,
14Mit den Aesten greifen hinaus in die Nacht,
15Mit dem Sturm sich schaukeln in brausender Jagd,
16Mit den Blättern im Uebermuth rauschen;
17Beim Tanz im Flug
18Durch Wolkenzug
19Mit dem Mondlicht silberne Blicke tauschen.
20Da müht sich der Lehnstuhl die Arme zu recken,
21Den Roccocofuß will das Kanapee strecken,
22In der Kommode die Schubfächer drängen
23Und wollen die rostigen Schlösser sprengen;
24Der Eichschrank unter dem kleinen Troß
25Steht da, ein finsterer Koloß.
26Traumhaft regt er die Klauen an,
27Ihm zuckt's in der verlornen Krone;
28Doch bricht er nicht den schweren Bann.
29Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne,
30Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht,
31Bläs't durch die Ritzen, grunzt und lacht,
32Schmeißt die Fledermäuse, die kleinen Gespenster
33Klitschend gegen die rasselnden Fenster.
34Die glupen dumm neugierig hinein —
35Da drinn' steht voll der Mondenschein.
36Aber droben im Haus
37Im behaglichen Zimmer
38Beim Sturmgebraus
39Saßen und schwatzten die Alten noch immer,
40Nicht hörend, wie drunten die Saalthür sprang,
41Wie ein Klang war erwacht
42Aus der lautlosen Nacht,
43Der schollernd drang
44Ueber Trepp' und Gang,
45Daß dran in der Kammer die Kinder mit Schrecken
46Auffuhren und schlüpften unter die Decken.

(Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Theodor Storm (1817-1888)

* 09/14/1817 in Husum, † 07/04/1888 in Hanerau-Hademarschen

männlich, geb. Storm

natürliche Todesursache - Magenkarzinom

deutscher Schriftsteller und Jurist

(Aus: Wikidata.org)

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